Elegant und wortgewitzt

ZECKEN-RAP Refpolk ist HipHopper und Politaktivist. Heute stellt er sein Album „Klippe“ im SchwuZ vor

Am 18. März war Refpolk in Frankfurt am Main. Er war nicht allein. Zusammen mit Tausenden hat er gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank protestiert. Und wie viele andere Musiker stand auch der Berliner Rapper zur Unterstützung der Blockupy-Bewegung auf der Bühne am Römerberg. Ein paar Tage später war Refpolk in Plauen und hielt einen HipHop-Workshop im selbstverwalteten Projekt Schuldenberg. Ende März ging es dann nach Idar-Oberstein zu einer Veranstaltung namens „United Against Racism“, und vor ein paar Tagen erst trat Refpolk bei der Zecken-Rap-Gala in Bremen auf.

Man sieht: Refpolk ist nicht nur Rapper, sondern auch Politaktivist. Eine Doppelfunktion, mit der man sich in der HipHop-Szene nicht eben beliebt macht. Dort werden zwar Sexismus und Homophobie immer noch weiträumig als ästhetisch vertretbares Kavaliersdelikt gehandelt, aber Musiker, die sich politisch engagieren, traditionell mit Argusaugen betrachtet.

Das wird sich wohl auch mit „Klippe“, Refpolks neuem Album, nicht ändern. Zwar hat der sogenannte Zecken-Rap es in den vergangenen Monaten geschafft, seine Nase aus der linkradikalen Nische zu stecken, in die er bislang weggesperrt worden war. Aber die Presseaufmerksamkeit, die sich vor allem auf das Netzwerk TickTickBoom und dessen alljährliche Zecken-Rap-Gala in Berlin und Bremen konzentriert, hat noch lange nicht dazu geführt, dass im Mainstream-HipHop plötzlich die Selbstkritik ausgebrochen wäre.

Kein Wunder also, dass sich TickTickBoom-Mitglied Refpolk auf „Klippe“ weiterhin vor allem kämpferisch gibt. Er fordert ein „Bleiberecht für alle“, formuliert nochmal bekannte Parolen wie „Kein Mensch ist illegal“ und fragt die milde gewordenen Altlinken, die es sich in gentrifizierten Stadtteilen und einem hedonistischen Lebensstil gemütlich gemacht haben: „Was wisst ihr vom guten Leben?“ Es geht natürlich auch gegen die üblichen Verdächtigen, gegen die NPD und die Faschos, gegen geistige Brandstifter und gegen Boulevardjournalismus, gegen institutionellen Rassismus und immer wieder gegen deutsche Flüchtlingspolitik. Und wo dieser Kampf entschieden wird, ist eh klar: „Uns gehör’n die Straßen.“

Zur Seite steht ihm dabei eine halbe Hundertschaft. Natürlich mit dabei sind die TickTickBoom-Kollegen und -Kolleginnen Pyro One, Sookee, Carmel Zoum, MisterMo oder Kobito, mit dem Refpolk schon seit 2006 in der Band Schlagzeiln auftritt. Kutlu, Migranten-Rap-Legende von der Kölner Microphone Mafia, stellt die historische Kontinuität her, die Zusammenarbeit mit dem Projekt „The Future Is Still Unwritten“ die internationale Solidarität. Eine verwirrende Vielzahl an Stimmen, die in Deutsch, Spanisch, Türkisch, Griechisch, Englisch und Französisch rappen oder singen.

Die Wörter fließen

Ein riesiges Aufgebot, das recht souverän nachweist, dass sich der Zecken-Rap im Jahr 2015 musikalisch nicht verstecken muss. Der Wortfluss hakt nur selten, die Reime sind ungezwungen, die Metaphern immer wieder fantasievoll. Die meisten deutschen Rapper, die von der Fachpresse gefeiert werden, haben zwar weit weniger zu sagen, aber tun das ballastbefreit auch nicht eleganter oder wortgewitzter.

„Klippe“ macht vor allem aus, dass Rap und Aktionismus nicht mehr voneinander zu trennen sind. Das eine dient vor allem dem anderen, das andere ist ohne das eine nicht denkbar. Und deshalb wird Refpolk im Rahmen seiner nicht enden wollenden Aktionstage Ende April im Conne Island in Leipzig nicht rappen, sondern auf dem Podium sitzen und Fragen wie diese diskutieren: „Vor welchen zukünftigen Herausforderungen steht Rap und wo liegt sein Potential für gesellschaftliche Konflikte?“ Tatsächlich: Wer sollte darüber besser Auskunft geben können? THOMAS WINKLER

■ Refpolk: „Klippe“ (Springstoff/Indigo); Record Release Konzert am 16. April um 21 Uhr im SchwuZ, Rollbergstr. 26, Neukölln