Endlich mehr neue Züge auf den Gleisen

INDUSTRIE Die Hersteller von Schienenfahrzeugen in Deutschland atmen auf: Sie steigern dank schnellerer Zulassungsverfahren ihren Umsatz kräftig. Sorgen bereiten aber die EU-Sanktionen gegen Russland

BERLIN taz | Die schnellere Zulassung neuer Züge in Deutschland bringt nicht nur den Bahnunternehmen und ihren Kunden etwas – auch die Hersteller können sich über klingende Kassen freuen. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die deutsche Bahnindustrie einen Umsatz von 12,5 Milliarden Euro – etwa ein Viertel mehr als im Jahr 2013. Diese Zahlen stellte der Branchenverband am Dienstag in Berlin vor. Hintergrund des Umsatzplus ist die Vereinfachung des komplexen Zulassungswesens in Deutschland, das dazu geführt hatte, dass fertige Züge monatelang nicht ausgeliefert werden konnten.

Dies änderte sich nun. „Zahlreiche bestellte Schienenfahrzeuge, die bislang noch im Zulassungsstau steckten, konnten dank des neuen Zulassungsregimes endlich in Rechnung gestellt werden“, sagte Branchenverbandschef Martin Lange. Allein in Deutschland habe der Umsatz um über 44 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro zugelegt. Im vergangenen Jahr beschäftigte die Branche rund 52.000 Mitarbeiter in Deutschland, ein Plus von vier Prozent.

Sorgen bereitet den Herstellern aber das Wegbrechen neuer Aufträge. Die Bestellungen seien im Jahr 2014 um über ein Drittel auf rund 9,5 Milliarden Euro geschrumpft, hieß es. „Das ist enttäuschend.“ Ein Grund dafür seien auch die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Ukrainekrise. Auch die Großfusion chinesischer Bahnhersteller betrachten die hiesigen Unternehmen mit gemischten Gefühlen.

Für die innerdeutsche Verkehrspolitik fordert die Branche eine Besserstellung des Schienenverkehrs: vor allem bei der Förderung des Regionalverkehrs, bei der Konkurrenz zu Fernbuslinien und im Bereich Forschung.

Scharfe Kritik übte der Verband an der politisch ungeklärten Zukunft der Regionalisierungsmittel, mit denen der Bund den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) über die Bundesländer fördert. „Die Koalition darf die Regionalisierungsmittel nicht zur taktischen Manövriermasse im Bund-Länder-Verhältnis werden lassen“, kritisierte Verbandsgeschäftsführer Axel Schuppe. Andernfalls gebe es keine Planungssicherheit für die SPNV-Verantwortlichen. „Das ist den Bürgern angesichts weiter steigender Fahrgastzahlen weder vermittel- noch zumutbar.“ Die Finanzmittel müssten um mehr als eine Milliarde Euro auf 8,5 Milliarden Euro pro Jahr angehoben und jährlich um zwei Prozent gesteigert werden.

Verärgert zeigte sich die Branche über die ihrer Ansicht nach unfaire Konkurrenz zwischen der Bahn und den neuen Fernbusunternehmen im Fernverkehr. Hintergrund dürfte sein, dass die Buskonkurrenz auch zu Lasten der Bahn geht, die dadurch letztlich weniger neue Züge gebrauchen könnte – was den Umsatz der Hersteller schmälert. Die Bahn habe im vergangenen Jahr im Schienenfernverkehr 832 Millionen Euro an Trassengebühren gezahlt, während die Busunternehmen null Euro für eine Autobahnmaut zahlen mussten, kritisierte Schuppe. Dies sei ein grober verkehrspolitischer Webfehler bei der Liberalisierung des Fernbusmarktes. RICHARD ROTHER