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KUNSTRUNDGANGMeike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Nicht nur die Schönheit ist relativ, auch das, was der Mensch lecker findet. Während Kindern die Naschereien nicht bunt genug sein können, schürfen Erwachsene in ihren Jugenderinnerungen und fördern stolz Speisen auf den Tisch, vor denen sie als Kind wohl zurückgeschreckt sein mögen. Die Malerin Iva Vacheva (geb. 1981 in Plowdiw, Bulgarien) bot etwa den Gästen ihrer Ausstellungseröffnung bei Krammig & Pepper gekochte Schafsköpfe (ein bulgarisches Nationalgericht) als Snack an. Für viele ein ungewohnter und recht grausiger Anblick, der Mut und Neugier beim Probieren erforderte. Für andere ein Leckerbissen! Ähnlich geht es einem bei den Bildern von Iva Vacheva. Wild und temperamentvoll bringt sie ein surreales wie drastisches Chaos auf die Leinwand, das von exzessivem Leben zeugt. Figuren wie Teufel oder Engel, orgiastische Szenen oder groteske wie liebliche Begebenheiten, die auf Vachevas Kindheit auf einem Bauernhof verweisen, verschmelzen auf der Leinwand in feuerroter Umgebung zu einer Gefühlshölle. Die mal mit zeichnerischer Leichtigkeit, mal in barocker Disziplin entstandenen Ebenen verschränkt sie zu einem turbulenten Treiben, dass einem schon ein Lächeln abringt – ein bittersüßes, wie das, wenn man sich an das Erwachsenwerden erinnert. Auch in der Galerie von Esther Schipper stehen Speisen auf einem Tisch. Essen möchte man diese aber definitiv nicht. Nicht, weil der Ice Tea oder die Pommes unecht wirken – was sie aber sind. Sie sehen so künstlich aus, wie Junkfood eben ausschaut: wie eine farbenfrohe Plastik. Gabriel Kuri geht es bei der Präsentation dieses Stilllebens um „die Darstellung des beschleunigten Konsums, in der alles als potentieller Müll gekauft wird“. Herrje, und ich bekomme immer noch bei jedem Bier, das ich angetrunken stehen lasse, Gewissensbisse. Punkrock sei Dank.

Gabriel Kuri: bis 26. Januar, Di–Sa 11–18 Uhr, Esther Schipper, Linienstr. 85 Iva Vacheva: bis 19. Januar, Di–Sa 11–18 Uhr, Krammig & Pepper, Torstr. 138

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