Zeltstadt gegen Braunkohle-Bagger

Um den Tagebau bei Garzweiler aufzuhalten, halten Umweltschützer eine Obstwiese in der Mitte des Geländes besetzt. Diese war zuvor von Gerichten enteignet worden – weil der klimaschädliche Braunkohleabbau angeblich dem Allgemeinwohl dient

VON LUTZ DEBUS

Noch trotzen 87 Obstbäume den riesigen Baggerschaufeln des Braunkohletagebaus Garzweiler II zwischen Düsseldorf und Aachen. Aber bereits heute könnten die Bäume gefällt und die Wiese planiert werden. Vor zehn Jahren hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) das 1 Hektar große Grundstück erworben, um die Fortführung des Braunkohleabbaus durch RWE zu verhindern. Mit der geplanten Räumung geht die Auseinandersetzung zwischen Stromkonzern und Umweltschützern nun in die finale Phase.

Für die Erweiterung des größten Tagebaus in Nordrhein-Westfalen, wo in den kommenden 40 Jahren 1,3 Milliarden Tonnen Kohle abgebaut werden sollen, müssen 7.600 Menschen ihre Häuser verlassen. Nicht nur wegen der Zwangsumsiedlung, sondern auch wegen der ökologischen Folgen des Braunkohleabbaus regte sich vor Ort und bundesweit seit Bekanntwerden der Pläne im Jahr 1987 Widerstand. Rechtlich sind inzwischen fast alle Mittel ausgeschöpft. Am 21. Dezember hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage des BUND gegen die Zwangsenteignung der Obstwiese abgewiesen. Der Umweltverband kündigte daraufhin an, eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wegen der Nichtzulassung der Revision gegen das OVG-Urteil einzureichen. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei, bleibe die Obstwiese in seinem Eigentum, so die Rechtsauffassung vom BUND. Allerdings hat die RWE eine so genannte „vorzeitige Besitzeinweisung“ bewilligt bekommen, der zufolge die Obstwiese ab 2. Januar geräumt werden kann.

Wenn die Umweltschützer später vor dem Bundesverwaltungsgericht Recht bekämen, dürften sie möglicherweise eine Obstwiese behalten, die es bis dahin gar nicht mehr gibt. Dirk Jansen vom BUND macht für diese skurrile Rechtslage das Bundesberggesetz verantwortlich: „Dieses unzeitgemäße und undemokratische Gesetz gehört endlich abgeschafft.“

Die Räumung seiner Obstwiese will der BUND mit Mitteln des zivilen Widerstandes verhindern. Im Morgengrauen des Neujahrstages bauten etwa 50 Umweltaktivisten eine kleine Zeltstadt auf. Zwei große Jurten und eine vier Meter hohe Windkraftanlage – Symbol für eine andere Energiepolitik – überragen die Igluzelte, die am Rand des Tagebaus in Sichtweite des riesigen Baggers aufgestellt wurden.

Die Begründung des Gerichtes, die Enteignung diene dem Allgemeinwohl, hält der BUND für eine „groteske Fehleinschätzung“. Die aktuelle Klimaschutzdebatte habe deutlich gemacht, dass der Ausbau fossiler Energien gerade gegen das Allgemeinwohl verstoße. Die Stromerzeugung aus Braunkohle gilt als besonders klimaschädlich.

Wenn die Obstbäume heute tatsächlich fallen, muss der BUND nicht nur eine herbe politische Niederlage hinnehmen. Eine besondere Spezialität der Umweltschützer wird es dann in Zukunft auch nicht mehr geben, den hochprozentigen Apfelschnaps der Marke „Garzweiler Flächenbrand“.