Happy Hüpfer

Michael Neumayer etabliert sich nach überstandener Knieverletzung als bester deutscher Weitenjäger

GARMISCH taz ■ Michael Neumayer hat jede Menge damit zu tun, sein Lieblingswort in möglichst viele Sätze einzubauen. Einen Tag nach seinem dritten Platz im Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen ist er, logisch, immer noch völlig „happy“. Total happy stimme ihn auch die Tatsache, dass er mittlerweile so viele Weltcuppunkte gesammelt hat, dass er schon fix für die nächste Tourneestation Innsbruck qualifiziert ist. Und schließlich ist er happy, dass die Physiotherapeutin des Teams sein Knie, in dem er vor rund einem Jahr einen Kreuzbandriss erlitten hatte, so behandelt, dass er weitgehend schmerzfrei ist.

Dank Michael Neumayer ist die Vierschanzentournee für die deutschen Springer nicht ganz so schlimm geworden wie befürchtet. Der Deutsche Skiverband (DSV) hat einen Podestplatz vorzuweisen – das ist ambitionierten Teams wie den Norwegern oder den Schweizern bislang noch nicht gelungen.

Neumayer erzählt einen Tag nach dem größten Erfolg seiner Skisprunglaufbahn, dass sich das ganze Team mit ihm gefreut habe, dass er sehr viel Lob abbekommen habe: „Alle haben mir gratuliert und auf die Schulter geklopft. Ich glaube, ich bin zwei Zentimeter kleiner geworden.“

Dieser Podestplatz im prestigeträchtigen Neujahrsspringen ist das Resultat von harter Arbeit und Beharrlichkeit – und einer Laufbahn, die nicht gradlinig verlief und sich lange außerhalb des Kadersystems des Verbandes bewegte. Mit erst 13 Jahren begann Neumayer, groß geworden im Berchtesgadener Land, mit dem Skispringen. Er hat das aus Spaß am Sport gemacht, nebenbei ist er im Steuerbüro seines Vaters in die Lehre gegangen. Und er habe halt so mittrainiert am Stützpunkt Berchtesgaden, erzählt er. Doch dann habe er eines Tages bemerkt: „Hoppla, im Skispringen kann man was erreichen.“ Erst mit 21 Jahren wird er in einen Kader des DSV aufgenommen. Normalerweise gehören begabte Skispringer von frühester Jugend dem Kadersystem an. Mit 22 gewinnt er die Gesamtwertung des zweitklassigen Intercontinentalcups, doch dann geht es nicht mehr recht vorwärts. 2004 dann entschließt er sich zum Umzug ins Allgäu, seitdem trainiert er in Oberstdorf und studiert BWL.

Steuerberater zu werden wie sein Vater, das könne er sich gut vorstellen, sagt er. Im Sommer geht er an die FH, schreibt seine Prüfungen. Im Winter versucht er, „zumindest Dienstag und Mittwoch ein paar Vorlesungen zu hören“. In Neumayers Leben gibt es mehr als den Skisprungsport. Deshalb betrachtet er den hektischen Betrieb an der Schanze zuweilen mit einem Augenzwinkern. „Er ist ein lustiger, ungezwungener Typ“, sagt Trainer Peter Rohwein. „Zweieinhalb bis drei Kilo“ mehr auf den Rippen, als das Reglement zulässt, habe er, und grinst ein bisschen. Das sei aber nicht weiter schlimm im Sport der Leichtgewichte. „Ich brauche das, weil ich nicht von meiner Technik lebe. Ich lebe von meiner Athletik, von meinem Absprung. Wenn ich gut springe, dann nicht wegen eines tollen Flugsystems oder einer tollen Technik.“ Und doch hat er tapfer gefeilt an seinen Sprüngen, obwohl vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Trainingssturz in Lillehammer das Kreuzband des rechten Knies durchriss. Er ließ sich operieren, ging auf Reha. „Und er hat im Sommer hart an sich gearbeitet“, wie Rohwein berichtet. Der Lohn: Neumayer springt jetzt auch schöner. Weite Flüge sind dem 28-Jährigen oft gelungen. Aber er trudelte so formlos durch die Luft und landete so plump, dass die Sprungrichter die Augen verdrehten. Er hat sich bemüht, diese Mängel zu beheben, „langsam sehen das auch die Sprungrichter“, findet Rohwein. Neumayer sagt: „Ich habe mich richtig hochgekämpft nach der Verletzung. Und jetzt stehe ich besser da denn je.“

Neumayer ist wild entschlossen, sich nicht als Heilsbringer des deutschen Skispringens feiern zu lassen. Schon am Neujahrstag selbst wurde er nicht müde, darauf hinzuweisen, dass er die Schanze im nächsten Tourneeort Innsbruck nicht so sehr mag. „Ich kann nicht davon ausgehen, dass mir immer solche Sprünge wie in Garmisch gelingen“, gibt er zu bedenken. Doch bis zum nächsten Wettbewerb darf er einfach nur happy sein.

KATHRIN ZEILMANN