Die Kirche und die Kohle

Tagebaue in der Lausitz stellen Kirche vor die Frage: Opposition oder Unterstützung

Die Braunkohle hat sie wieder fest im Griff. Nach dem verlorenen Kampf um die Rettung des Lausitzdorfes Horno vor der Abbaggerung hatte die Region im Süden Brandenburgs auf ruhigere Zeiten gehofft. Doch nun drohen neue Tagebaue, Umsiedlungen und die Zerstörung weiterer Dörfer. Drei Kohlefelder will der Energiekonzern Vattenfall nach aktuellen Planungen abbauen und zwei bereits bestehende in Brandenburg und Sachsen erweitern. Rund 3.600 Menschen aus zehn Orten müssten dafür umgesiedelt werden.

Die Lausitzer Kirchengemeinden haben dafür bereits deutliche Worte gefunden. Als „nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Lebenswelt der Region“ hat die evangelische Kreissynode von Senftenberg-Spremberg die neuen Tagebauplanungen Ende November verurteilt und „schwerwiegende Folgen für das zukünftige Leben“ kritisiert. Nur 8 der 45 Kirchenparlamentarier stimmten dagegen. Auch in Cottbus, Guben, Forst und Umgebung bezieht die evangelische Kirche Stellung: Die dortige Synode will sich „gegen den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue in der Niederlausitz und für eine zukunftsfähige Energiepolitik“ einsetzen. „Abstimmungsergebnis: 44 Ja-, 14 Nein-Stimmen, 10 Enthaltungen. Antrag angenommen“, vermerkt nüchtern das Protokoll.

Bei der Kirchenleitung in Berlin hingegen herrschen ganz andere Töne vor. Ohne die Braunkohleverstromung werde die strukturschwache Region wirtschaftlich veröden, befürchtet etwa der theologische Referent des Konsistoriums, Andreas Fincke. Er rechnet mit einer „Zerreißprobe“ für die Landeskirche. „Es ist nicht damit getan zu sagen, rettet diese Dörfer in der Lausitz.“ Und als „moralisch seltsam“ bezeichnet Fincke einen Ausstieg aus der Braunkohle, wenn zugleich Strom aus polnischen Kohlekraftwerken oder französischen Atomkraftwerken eingekauft werde.

Auch der Cottbuser Superintendent Matthias Blume und der Leiter des Kirchlichen Verwaltungsamtes, Reinhard Richter, versuchen vor Ort den Protest zu dämpfen. Der Kirchenkreis müsse „für einen Dialog und den Erhalt des inneren Friedens“ eintreten, warnen beide. Mit einer vorschnellen Positionierung laufe die Kirche Gefahr, „die verschiedenen Gesichtspunkte in dem komplizierten Diskussionsprozess nicht angemessen zu berücksichtigen“. Mit diesem Antrag erlitten Blume und Richter allerdings in ihrer eigenen Synode Schiffbruch und wurden klar überstimmt.

Neu ist die Diskussion um die Braunkohle auch für die evangelische Kirche nicht. In der DDR setzten sich damit bereits die verschiedenen Umweltgruppen auseinander. Nach der Wende forderte die Gubener Kreissynode im Frühjahr 1993 einen Stopp des Tagebaus vor Horno. YVONNE JENNERJAHN, EPD