„Wir waren noch nie so enge Partner“

Trotz Irakkrieg und Dollarkrise sind Europa und die USA wirtschaftlich immer enger verflochten. Von der Kooperation profitieren beide Seiten, sagt der US-Politologe Daniel Hamilton, Koautor einer neuen Studie über die Zusammenarbeit

DANIEL HAMILTON leitet das Center for Transatlantic Relations an der Johns-Hopkins-Universität in Washington.

INTERVIEW ADRIENNE WOLTERSDORF

taz: Herr Professor Hamilton, politisch sind sich Europa und die USA nicht mehr so zugetan wie vor dem Irakkrieg – doch spiegelt sich das, laut einer Studie, an der Sie mitgearbeitet haben, keineswegs in den wirtschaftlichen Beziehungen wider. Warum?

Dan Hamilton: Wirtschaftlich driften Europa und die USA nicht auseinander. Im Gegenteil. Wir waren noch nie so enge Partner wie heute. Aber unsere Partnerschaft steht heute auf einer ganz anderen Basis als damals, im Kalten Krieg, wo die politische Allianz Priorität hatte. Heute dominiert die ökonomische Allianz. Die wichtigsten Beziehungen, die die USA und Europa in der Welt haben, haben sie miteinander.

Die Handelsstatistiken stützen Ihre Behauptung keineswegs. Der deutsche Handel mit den USA macht nur noch rund 10 Prozent aus, mit fallender Tendenz.

Um ein vollständiges Bild zu bekommen, muss man sich sowohl das Investitions- wie auch das Handelsvolumen zwischen den USA und Europa anschauen. Die Kategorien von Im- und Export sind aber längst nicht mehr allein aussagekräftig. Enge transatlantische Verflechtungen zeigen sich vor allem darin, dass die Firmen selbst auf den jeweils anderen Markt kommen. Das deutsche Investitionsvolumen in den USA ist viermal so hoch wie das Handelsvolumen, mit steigender Tendenz.

Wer profitiert mehr von dieser Beziehung, Europa oder die USA?

Wir profitieren voneinander. Rund 14 Millionen Jobs sind dadurch auf beiden Seiten des Atlantiks entstanden. Allein deutsche Firmen beschäftigen in den USA rund 700.000 Angestellte, mit ordentlich bezahlten, sozial abgesicherten Jobs, so wie das amerikanische Firmen in Europa tun. Wenn die USA wirtschaftlich wachsen, ist das daher auch gut für Deutschland. Und umgekehrt. In der gegenwärtigen kleinen Rezession, in der sich die USA befinden, federt das Wachstum in Europa das Schlimmste für die USA ab.

Haben dabei nicht die europäischen Firmen in den USA Verluste gemacht, die in Europa unter einer zu starken Währung leiden und in den USA unter einer schwächelnden?

Zwei Drittel des deutsch-amerikanischen Handels spielen sich innerhalb internationaler Konzerne ab. Zum Beispiel exportiert ein deutscher Autohersteller Komponenten zu sich selbst in den USA. Das wird gesteuert von den zuvor getätigten Investitionen. So können Unternehmen auch die Wechselkursschwankungen abfedern und sich schützen. Es ist also kein Wunder, dass die Deutschen in den USA jetzt Rekordsummen investieren. Sie bekommen für ihre Euros gegenwärtig mehr als je zuvor. Und ihre Gewinne machen sie in Dollar, die sie wieder reinvestieren.

Jährlich macht die transatlantische Ökonomie einen Umsatz von 3,75 Billionen US-Dollar – und sichert auf beiden Seiten des Atlantiks an die 14 Millionen Arbeitsplätze. 59 Prozent aller US-Investitionen flossen im Jahr 2006 nach Europa, insgesamt 1,2 Billionen Dollar. Umgekehrt investierten Europäer im gleichen Jahr 1,3 Billionen Dollar in den USA. Allein in den Niederlanden investierten US-Unternehmen im Jahr 2006 rund 33 Milliarden Dollar. Das ist mehr, als die USA im gesamten Asien (26 Mrd. Dollar) oder ihren Nafta-Nachbarländern Kanada und Mexiko (insgesamt 25 Mrd. Dollar) investierten. Europäische Firmen in den USA machten 2006 Rekordgewinne von 89 Milliarden Dollar. AW

In Ihrer Studie heißt es, der transatlantische Wirtschaftsraum sei die tragende Säule der Globalisierung. Heißt das auch, dass sowohl die USA als auch Europa gut daran täten, endlich für mehr Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu sorgen?

Es ist in der Tat problematisch, dass zum Beispiel die USA im letzten Jahr allein in Irland mehr investierten als in China, Indien, Russland und Brasilien zusammengenommen. Mit Asien verbindet uns hauptsächlich der Handel und weniger die Investitionsbeziehungen. Die Investitionssummen beginnen zwar rapide zu wachsen, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau.

Wenn Europa und die USA die Hauptakteure der Globalisierung sind, müssen also beide eigentlich keine Angst vor ihr haben. Warum wird das auf beiden Seiten des Atlantiks dennoch mit so viel Schrecken gesehen?

Ich glaube, viele kennen die Fakten nicht gut genug. So bedeutet zum Beispiel ein Job mehr in China nicht automatisch einen Job weniger im Westen, auch wenn es persönliche Schicksale gibt, bei denen das der Fall ist. Das Ganze ist viel komplexer, und generell gilt: Vor allem die Exportwirtschaft Europas profitiert immens vom weltweiten Wachstum. Deutschland als Exportland vor allem von Maschinen und Technologie kann da nur gewinnen. Es liefert, was die Schwellenländer in Zukunft dringend benötigen.

Eine Zusammenfassung der Studie gibt es im Internet unter: transatlantic.saisjhu.edu/Publications/TransEcon2008_ executive_ summary.pdf