Neuer Jugendstrafvollzug im Norden

Abseits aller Wahlkampfparolen ist in Schleswig-Holstein ein neues Jugendstrafvollzugsgesetz in Kraft getreten. „Erziehung ist der Leitgedanke“, sagte Justizminister Döring und wendet sich damit gegen den Ministerpräsidenten

Der Raum ist schmal, aber gemütlich: Auf dem Bett liegt eine Schmuckdecke, Holzregale mit Büchern füllen die Wände. Nur die Gitter vor den Fenstern stören ein wenig – der Raum ist eine Zelle in der Jugendstrafvollzugsanstalt in Schleswig. 73 Plätze im geschlossenen und zehn im offenen Vollzug gibt es hier, weitere 116 Haftplätze für Jugendliche sind an das Gefängnis in Neumünster angegliedert. Das ist alles: Schleswig-Holstein steckt extrem wenig Jugendliche in den Knast, bis zu 40 Prozent unter dem Bundesschnitt. Das neue Jugendstrafvollzugsgesetz, das Anfang Januar in Kraft trat, will für diese wenigen noch mehr tun.

„Erziehung ist der Leitgedanke“, sagte Justizminister Uwe Döring (SPD) gestern in Schleswig. Angesichts der aktuellen Debatte um jugendliche Gewalttäter hatte sich Ministerpräsident Peter Harry Carstensen vor wenigen Tagen anderen CDU-Politikern angeschlossen und härtere Strafen gefordert (taz berichtete). Sein Fachminister mahnte zur Mäßigung: Keine längeren Haftzeiten – „alles ab fünf Jahren dient nur der kriminellen Ausbildung“, keine Haft für Jüngere. Zwar gebe es auch in Schleswig-Holstein einen Anstieg an Gewalttaten, vor allem würden die Fälle schwerer, es gebe mehr Rohheitsdelikte. Aber durch längere Haft sei das nicht zu beheben.

Döring warnte davor, die Debatte auf ausländische Jugendliche zuzuspitzen: „Es geht um Menschen, die nicht integriert sind, weder in Arbeit noch in Bildung.“ Darunter seien zwar auch Ausländer, aber alle Problemgruppen müssten im Blick behalten werden. Aktuell haben 85 Prozent der Insassen im Schleswiger Jugendgefängnis einen deutschen Pass. Das neue Gesetz schreibt Änderungen vor: So sollen Einzelzellen und Wohngruppenvollzug die Regel werden, die Erziehung noch mehr in den Vordergrund rücken. Dazu wird in Schleswig eine Sozialtherapie aufgebaut, in Neumünster müssen Gruppenräume ausgebaut werden, auch mehr Sportangebote wird es geben.

Die SPD hätte sich noch mehr gewünscht, sagte Anna Schlosser-Keichel, Fachsprecherin für Strafvollzug der SPD, bei der Debatte im Dezember: „Leider ist das mit unserem Koalitionspartner nicht möglich.“ Unter anderem sollte die Entlassungsvorbereitung „wesentlicher Bestandteil des Vollzugsplans“ sein, und am Wochenende müsse es mehr Angebote geben. Döring sah das gestern anders: „Irrelevant, ob es im Gesetz steht oder nicht – wir machen das alles längst.“ ESTHER GEISSLINGER