Von unten nach oben

Das Luxushotel Cape Grace in Kapstadt trägt das „Fair Trade“-Label für Fairness in der Touristikbranche. Das betrifft vor allem die Arbeitsbedingungen der Angestellten

VON MARTINA SCHWIKOWSKI

Von einer Karriere hat Marcus Isaacs in seinen Kindheitstagen in den berüchtigten Cape Flats von Kapstadt immer geträumt. Dass dieser Traum in einem der besten Hotels der Welt nun Wirklichkeit wird, überrascht ihn immer noch. „Wer hätte gedacht, dass ich mal einen schwarzen Anzug zur Arbeit tragen würde“, meint der siebenundzwanzigjährige Farbige stolz und deutet auf die Bücherregale in der gemütlichen Bibliothek des eleganten Hotels: „Ich fühle mich hier wie zu Hause – diese entspannte Atmosphäre gehört zu meinem Alltag.“ Jeder Winkel des Hotels ist ihm vertraut. Neun Jahre ist es her, dass er als House Boy seine Laufbahn begann. Schritt für Schritt stieg er auf – mit Unterstützung der Hotelleitung. Ausbildung wird im Cape Grace ernst genommen und brachte dem Fünfsternehotel im August vergangenen Jahres die erste Handelsauszeichnung für gerechten und verantwortlichen Tourismus in Südafrika ein. Seit 2003 erhielten in Südafrika neunundzwanzig Hotels, Wildreservate und Lodges das Markenzeichen für „Fair Trade in Tourism South Africa“.

Marcus Isaacs betont: „Jeder kann es hier zu etwas bringen. Die Vorgesetzten machen das schon bei den Einstellungsinterviews deutlich.“ So fühlte er sich ermutigt, auch als Fensterputzer im Cape Grace sein Bestes zu geben. Und in der jährlichen Auswertung seiner Leistungen häuften sich die guten Noten, die Beförderung in den Zimmerservice ließ nicht lange auf sich warten, nach weiteren vier Jahren wurde er Assistent des Restaurantmanagers.

Mit 122 Zimmern ist das Cape Grace Hotel nicht allzu groß. Wie ein Schiff liegt es an einem privaten Kai an der Victoria & Alfred Waterfront. Das Hotel der simbabwischen Kette Meikles glänzt mit Exklusivität, Stil, Komfort und hilfsbereitem Personal.

In der Lobby taucht man ein in das luxuriöse Innenleben des Cape Grace. Der Gast kann hier in gediegenen Sitzecken Platz nehmen, zwei Schreibtische stehen unauffällig im Raum – der Arbeitsplatz der Rezeptionisten. Während sich draußen im Bassin an der palmengesäumten Promenade zur Waterfront ein Teil des Industriehafens Kapstadt befindet, blickt der Besucher auf der gegenüber liegenden Seite der Lobby durch riesige Glasfronten auf den malerischen Hafen für Segelschiffe.

Das Cape Grace gehört zu Bill Clintons Lieblingsadressen, und amerikanische Leser des Reisemagazins Condé Nast Traveller wählten es 2000 zum besten Hotel der Welt; 2007 befanden britische Leser, Service und Personal seien „Number One“ in der Welt. Andere Auszeichnungen belohnen es als bestes Hotel in Afrika und im Nahen Osten. Seit seiner Eröffnung im Dezember 1996 entwickelte die Hotelführung über die Jahre eine Philosophie der Aus- und Weiterbildung der Angestellten. Der hohe Standard sollte nicht nur den Gästen gewährleistet werden, er soll sich auch für Arbeitnehmer auszahlen. Als die Prüfer des Tourismuslabels „Fair Trade“ ihre Beurteilung im letzten Jahr mit Verleihung des Zertifikats abschlossen, war die Hotelführung selbst überrascht: „Wir haben mit knapp hundert Prozent bei der Erfüllung aller Kriterien abgeschnitten“, sagt Geschäftsführer Nigel Pace. „Wo es noch hapert, das ist die Umwelt.“ Abfallwirtschaft, Recycling und Energieverbrauch sind also Bereiche, die künftig im Cape Grace nachhaltig verbessert werden sollen.

Das Planet Committee des Hotels führt nun Schulungen durch, um die Angestellten über die Klimakatastrophe und deren Konsequenzen zu unterrichten. „Wir müssen stärker reagieren, auch durch ‚papierlose‘ Besprechungen und energiesparende Beleuchtung“, sagte Pace.

Mit einem Ausbildungsbudget von 1,3 Millionen Rand pro Jahr (130.000 Euro) werden die zweihundertzwanzig Mitarbeiter mindestens einmal jährlich zum Training geschickt. Das Angebot reicht vom Computerkurs bis zum „Toastmaster-Seminar“ – eine Gelegenheit, das Reden in der Öffentlichkeit zu lernen. In der hoteleigenen „Waitron Ausbildungsschule“ können Schulabgänger erste Erfahrungen als Kellner machen. Ausflüge zur Weinfarm vermitteln Wissenswertes über Weinkulturen und Geschmacksrichtungen. „Wir picken uns für unseren Anspruch geeignete Bewerber bei den Einstellungsgesprächen heraus“, meint Pace. „Ein Abitur ist für uns nicht unbedingt ausschlaggebend, die Persönlichkeit zählt.“

Neben Achtung der Menschenrechte, Kultur und Ethik, gehört es zu den fairen Praktiken des Hotels auch, gerechte Löhne (plus regelmäßiger Erhöhungen und Bonussen) zu zahlen sowie Beiträge zur Rentenversicherung und zur Gesundheitsvorsorge. Wellnesstage bieten Informationen für Angestellte. Sogenannte Peer Educators führen gar Familienberatungen durch und kümmern sich darüber hinaus um Probleme wie HIV/Aids.

Das soziale Umfeld vieler Angestellten ist von Armut geprägt. Oft bestimmen Alkohol und Drogen das Schicksal in den schwarzen Townships und den Cape Flats, den Wohngebieten der Farbigen. Bandenkriege und Arbeitslosigkeit verstärken den Frust. „Ich hatte Glück“, meint Marcus Isaacs. Er wird jetzt mit Respekt betrachtet: Dank der finanziellen Absicherung durch seine feste Stelle konnte er eine Familie gründen und eine Wohnung bezahlen. Sich Ziele setzen, so Isaacs, sei wichtig. Er steuert gerade die freie Stelle des Restaurantchefs an. Schon jetzt bildet er KollegInnen im Restaurant aus.

Auch Thandi Sitofile begann vor vier Jahren, im Cape Grace Mülleimer auszuwaschen. Schon bald durfte sie in den großräumigen Zimmern Betten machen, dann in der Rezeption Anrufe entgegennehmen und ab und zu im Restaurant aushelfen. Bei einem Standardlohn von rund zweihundertachtzig Euro im Monat. Jetzt sitzt sie im schwarzen Anzug auf dem champagnerfarbenen Ledersitz neben dem Hotelchauffeur im neuesten, goldfarbenen BMW-Modell und geht mit ihm auf Tour: „Ich lerne aus eigener Anschauung, wohin Gäste gefahren werden und wie es dort aussieht. Es ist toll, im Cape Grace zu arbeiten. In anderen Hotels bleibt man unten und wird als billige Arbeitskraft ausgenutzt, aber hier kann ich eines Tages Managerin werden.“

MARTINA SCHWIKOWSKI, Jahrgang 1960, ist Südafrikakorrespondentin der taz „Fair Trade in Tourism South Africa“ (FTTSA) hat das erste Fair-Trade-Label für Tourismus entwickelt und umgesetzt und zertifiziert touristische Unternehmen nach strengen Richtlinien. Mehr dazu: info@fairtourismsa.org.za, www.fairtourismsa.org.za