„Es hat gefunkt“

Der Beginn einer künstlerischen Kooperation: Studierende der Bremer HfK berichten von kommunikativen Experimenten mit ihren ägyptischen KommilitonInnen. „Wie versucht man es und wie scheitert man?“

DORIS WEINBERGER und MARIE-LUISE SCHWEITZER studieren Freie Kunst, CHRISTIAN HEINZ Integriertes Design an der Bremer Hochschule für Künste

INTERVIEW: HENNING BLEYL

taz: Sie gehören zu den PionierInnen einer künftigen Kooperation zwischen der Bremer Hochschule für Künste und der ägyptischen Helwan-Universität. Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Kairo geflogen?

Doris Weinberger: Mit einer riesigen Neugier auf Menschen und das Land – und darauf, wie sich unsere eigene Kultur in der Fremde widerspiegelt. Dabei war mir wichtig, nicht den Schlagworten im eigenen Kopf zum Opfer zu fallen. Ich wollte mich sozusagen blank machen, um kein Konstrukt voller Vorstellungen mitzuschleppen.

Christian Heinz: Wir haben uns vor der Reise mehrere Monate auf einer gemeinsamen Internetseite mit den Ägyptern über Konzepte und Arbeitsansätze ausgetauscht. Vor Ort haben wir dann erstmal versucht, uns davon wieder zu lösen.

Warum?

Heinz: Es ging ja nicht darum, sein jeweils eigenes Konzept durchzuziehen und das als sicheren Rahmen zu nutzen, in den man sich zurückziehen kann. Sondern darum, etwas Gemeinsames zu finden.

KünstlerInnen haben oft die Funktion, irritierende Fremdkörper zu sein. Was hat Sie ihrerseits in Ägypten irritiert?

Heinz: Die erste visuelle Hülle, der man dort begegnet, besteht aus den bekannten Bildern. Aber es gibt noch andere Schichten wie den Smog oder den wahnsinnigen Verkehrslärm, der sich über alles legt. Erst denkt man, auf den Straßen herrsche das totale Chaos, aber durch die gegenseitige Aufmerksamkeit funktioniert es. Man berührt sich eben gern – auch im Verkehr.

Marie-Luise Schweitzer: Ich war davon überrascht, dass sofort ein intensiver Kontakt mit den Leuten von der Helwan-Universität da war: Es hat gefunkt. Dann war die Frage, wie kriegt man das jetzt in einen Arbeitsfluss? Wir haben drei Themencluster mit den Bereichen Movement, Places und People / Communication mit jeweils kleineren Arbeitsgruppen gebildet.

Was haben Sie dann konkret gemacht?

Weinberger: Zum Beispiel folgende Versuchsanordnung: Zwei Menschen sitzen sich gegenüber und erzählen sich in ihrer jeweiligen Muttersprache ein Märchen. Außer Mimik und Gestik sind als Hilfsmittel nur Knete sowie Papier und Stift erlaubt, um sich dem Anderen verständlich zu machen. Mich hat interessiert: Wie versucht man es, und wie scheitert man. In den Gesichtern der Personen, die ich dabei gefilmt habe, spiegeln sich immer dieselben Phasen: Erst große Aufgeschlossenheit und der Optimismus, den anderen bei ausreichender Anstrengung zu verstehen. Dann kommt das Erschrecken, wenn man nicht versteht, danach ein Aufbäumen und der neuerliche Einstieg in den Prozess. Es ist also ein performatives Experiment, bei dem es auch um das Ertragen des Nicht-Verstehens geht.

Welche Erfahrungen waren nicht produktiv, gab es veritable Schwierigkeiten?

Heinz: Man merkt schnell, dass man nicht überall fotografieren kann. Öffentliche Gebäude sind zum Beispiel strikt verboten.

Gab es inhaltliche Tabu-Bereiche? Zum Beispiel Witze über Religion?

Schweitzer: Drei Wochen sind zu kurz, um solche Grenzen kennenzulernen. Aber man fährt ja auch mit Respekt hin, um die Verhältnisse vor Ort kennenlernen zu können. In meiner Arbeitsgruppe haben wir uns den „Differences in Community“ gewidmet. Dabei war es sehr hilfreich, dass jeder jeden Morgen eine zeichnerische Skizze als Momentaufnahme des eigenen Zustands angefertigt hat. Dabei ging es nicht um künstlerische Produkte, sondern um den täglichen Austausch der Blätter. Deren Diskussion war eine sehr gute Basis für die Gruppenkommunikation.

Weinberger: Das Wissen um die politischen Zusammenhänge hat man sozusagen parallel im Kopf.

Heinz: Es ist gut, dies ganze Gefüge erstmal auf sich zukommen zu lassen. Ich habe dann mit Islam zusammen das Projekt „Trading Memories“ gemacht. Wir haben uns gefragt: Welche Erinnerungen bergen Flohmarkt-Objekte? Mit Grafiken versuchen wir darzustellen, durch wie viele Hände sie gehen. Maged hat sich mit Videosequenzen mit unseren Wegen durch die Stadt auseinandergesetzt. Entscheidend war aber, dass alle künstlerischen Ansätze immer in der ganzen Gruppe diskutiert wurden.

Was ist in der täglichen Zusammenarbeit mit den ägyptischen Studierenden anders als mit Ihren KommilitonInnen an der HfK?

Heinz: Im persönlichen Kontakt sehe ich erstmal keine Unterschiede, aber natürlich sind die Rahmenbedingungen sehr anders. Das Studium dort ist viel verschulter. Den Studierenden der HfK wird viel Freiheit gegönnt – was sich im Rahmen der Bachelor- und Mastereinführung freilich auch ändern wird.

Schweitzer: Eben, das ist nichts Ägyptisches – in Frankreich geht es auch sehr verschult zu. Ich habe bei diesem Projekt die Erfahrung gemacht, dass Kunst sehr unmittelbar etwas bewegen kann. Als Kommunikationsbasis zwischen wildfremden Menschen. Wobei die Kategorien „fremd“ und „bekannt“ eigentlich gar nicht funktionieren: „Wir Deutschen“ sind ja auch schon eine sehr heterogene Gruppe.