Im Schongang nach oben

Der Winzerkeller Neckenmarkt hat seine Erträge reduziert und setzt auf schonende Verarbeitung, um die Qualität seiner Weine zu steigern. Die samtigen Rotweine mit weicher Säure haben der Genossenschaft eine Reihe von Prämierungen eingebracht

VON LARS KLAASSEN

Neckenmarkt liegt inmitten eines wunderschönen Weingebirges – am Südabhang des Ödenburger Berglandes, in einer tektonisch eingesenkten, wasserreichen Mulde. Diese Südlage und der Einfluss des Neusiedler Sees formen das Kleinklima. Die Nordgrenze des Neckenmarkter Gemeindegebiets verläuft an der ungarischen Staatsgrenze. Von den Hügeln aus öffnet sich der Blick bis zu den ungarischen Dörfern, zur Ruine Landsee und bis zum Neusiedler See. So idyllisch die Heimat der hiesigen Winzergenossenschaft auch anmutet, der Ort, die Menschen und ihre Arbeit sind geprägt von Krisen und Brüchen. Das Ergebnis allerdings kann sich nicht nur sehen, sondern auch schmecken lassen.

Die Genossenschaft – heute „Winzerkeller Neckenmarkt“ – wurde im Jahr 1968 in einer schwierigen Situation gegründet. Aufgrund sehr ertragreicher Ernten in den Jahren 1966 und 1967 und eines Überangebots auf dem Markt gab es kaum Traubenabnehmer, die gewillt waren, einen kostendeckenden Preis zu zahlen. Der Neckenmarkter Bürgermeister Karl Heincz überzeugte die Winzer des Orts, eine Genossenschaft zu gründen, um das Angebot gemeinsam steuern zu können. Im Mai 1968 wurde mit dem Bau eines Presshauses und weiterer Anlagen begonnen. Heute bewirtschaften rund 300 Mitglieder insgesamt 300 Hektar Weingärten. Etwa 60 Prozent der Gesamternte in Neckenmarkt werden in der Genossenschaft erbracht.

Die Böden bieten aufgrund ihrer wechselhaften Vorgeschichte beste Voraussetzungen: Vor etwa 20 Millionen Jahren überflutete Meerwasser das nördliche und mittlere Burgenland. Die Höhenzüge des Leithagebirges, des Ruster Hügellandes, des Rosaliengebirges und des Ödenburger Gebirges ragten wie Inseln aus dem seichten Meeresboden. An den Küsten dieser Inseln setzte sich Kalk ab, im Innern des Meeresbeckens wurden Tegel und Mergel abgelagert. Bei späteren Erdbewegungen wurde der Bereich des heutigen Mittelburgenlandes angehoben, und die Wasserfläche zog sich zurück. Der nun freigelegte Boden zeigt Hügel und Terrassen auf einem Gesteinsockel. Darüber liegen Schottermassen, die wiederum mit Deckschichten überzogen sind, etwa verschiedenen Staublehmen. Solche lehmigen Böden sind charakteristisch für das Mittelburgenland. Sie stellen die ideale Bedingung für den Blaufränkisch dar, der sich darauf in eigenständiger Würzigkeit, innerer Harmonie und Eleganz entwickeln kann. Überwiegt der Schotteranteil, werden die Weine etwas leichter, finessereicher und verspielter. Bei stärkerem Lössanteil präsentieren sich die Weine fetter und gehaltvoller. In den Neckenmarkter Weingärten finden sich unterschiedliche Ausprägungen der Deckschichten; so können je nach Lage verschiedene Weintypen erzeugt werden.

Mit mehr als 60 Prozent der Weingärten ist Blaufränkisch die mit Abstand wichtigste Sorte des Unternehmens und gleichzeitig auch die Leitsorte des gesamten Weinbaugebiets. Fast ein Drittel der Lagen ist mit Zweigelt bepflanzt. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden große Veränderungen in der Bewirtschaftung der Weingärten vorgenommen. Statt Quantität rückte die Qualität verstärkt in den Vordergrund: Die Ertragsmengen wurden von einst 12.000 bis 13.000 Kilo pro Hektar auf ein Mittel von 8.500 Kilo reduziert. Auf etwa 10 Prozent der Weingärten wird seit 1992 das sogenannte 8-Trauben-Programm angewendet: Pro Weinstock werden durchschnittlich nur acht Trauben erhalten. Das steigert die Qualität, schraubt die Erträge aber auf 5.000 bis maximal 6.000 Kilo je Hektar zurück. 45 Betriebe beteiligen sich an diesem Programm. Ihre Weingärten müssen mindestens 25 Jahre alt sein und sich in den besten Lagen befinden – der Großlage Hochberg. Sie werden das ganze Jahr über kontrolliert. Während die übrigen Bauern für ihre Trauben einen von den Oechslegraden abhängigen Kilopreis erhalten, werden die 8-Trauben-Betriebe für ihren Mehraufwand mit einem Fixbetrag von 10.000 Euro je Hektar entlohnt. Ihre Trauben stellen die Basis für die höchste Qualitätskategorie im Programm des Winzerkellers Neckenmarkt dar.

Mit dem Jahrgang 2000 sind drei neue Weinlinien auf den Markt gekommen. Die neuen Weine werden ausschließlich aus Trauben des 8-Trauben-Programms hergestellt. Die lateinischen Namen spielen auf den römischen Ursprung der heimischen Weinkultur sowie auf die erste Blütezeit des Neckenmarkter Weins zur Römerzeit an: Vinis Unitis, Terra Cognita und Potio Magica sind die Aushängeschilder der Genossenschaft. Letzterer, der „Zaubertrank“, ist das Beste und Feinste aus den Fässern des Winzerkellers Neckenmarkt. Der mehrfach prämierte Wein wird durch strenge Selektion in nur sehr geringer Auflage erzeugt: eine Cuvée aus Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Zweigelt, die 18 Monate in Barriques reifte.

Nicht nur dem Potio Magica merkt man die generell schonende Verarbeitung an: So nutzt die Genossenschaft die noch vorhandene Gärwärme, um den biologischen Säureabbau einzuleiten. Anschließend werden die Weine sanft umgezogen, um eine frühe Klärung zu erreichen. Das Ergebnis: samtige Rotweine mit weicher Säure. Von Krisen und Brüchen ist am Ende nichts mehr zu spüren.

Direktbezug von der Genossenschaft: www.neckenmarkt.at