Schlagzeilen statt Tore

Carlos Alberto ist der größte Transfer-Flop der Ära Schaaf / Allofs. Der Brasilianer hat noch keine Halbzeit gespielt, dafür liefert er mit Krankheiten und Skandalen Stoff für eine ganze Doku-Soap

VON SVEN BREMER

Zu Beginn der Saison 2007/ 08 ist Werder-TV auf Sendung gegangen. Es geht um Sport, um Fußball, um Werder. Dabei könnte der vereinseigene Sender auch eine „Doku-Soap“ drehen – mit dem Hauptdarsteller Carlos Alberto. Der mit 7,8 Millionen teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte liefert zuverlässig Stoff.

Das ist das Einzige, worauf sich Werder verlassen kann. Denn seine Rolle als Fußballer hat Alberto ziemlich vernachlässigt. In der Bundesliga hat der Brasilianer noch nicht einmal eine Halbzeit lang gespielt. Die Verantwortlichen können es drehen und wenden, wie sie wollen: Carlos Alberto ist schon jetzt der größte Transfer-Flop der Ära Schaaf / Allofs.

Die Reise ins Trainingslager nach Belek hat er nicht mitgemacht. Dabei wäre gerade das für die Integration des Sorgenkinds wichtig gewesen. Doch Carlos Alberto brachte aus dem Urlaub nicht nur eine Mandelentzündung mit, bei ihm wurde auch eine Schilddrüsenfunktionsstörung festgestellt. „Es macht keinen Sinn ihn mitzunehmen“, sagte ein sichtlich genervter Werder-Coach Thomas Schaaf.

Zeitgleich schien Werder Ärger mit dem Ex-Verein Albertos, den Corinthians aus Sao Paulo, ins Haus zu stehen. In Brasilien streiten sich der Klub und die dubiose Agentur MSI darum, wem Albertos Ablöse zusteht. „Das kann uns egal sein“, sagt Werder-Vorstand Manfred Müller, „wir haben das Geld bei einem brasilianischen Gericht hinterlegt und das hat Schuld befreiende Wirkung.“

Der Streit ums Geld ist nur eines von vielen Kapiteln der Carlos-Alberto-Story: Die ersten Folgen hatten den Titel „Schlaflos in Bremen“. Ende August kollabierte der Profi während eines Trainings. Im September 2007 verkündete Werder, dass sich der Neuzugang mit Schlafproblemen herumquäle. Dies, so Allofs, sei eventuell die Ursache für seine mangelnde Regenerationsfähigkeit. Zweifel an der Diagnose sind angebracht. Möglich, dass sich Carlos Alberto ausgebeten hat, „Schlaflosigkeit“ als Sprachregelung zu wählen. Auf Nachfrage, ob gar ein zweiter „Fall Deisler“ vorliege, kam kein klares Dementi von Allofs. Alberto gab ungeachtet der Probleme in Interviews den Komiker.

Aus Brasilien kamen Meldungen, dass der Mann Epileptiker sei. „Man darf nicht alles glauben, was dort in den Zeitungen steht“, sagte Allofs genervt. Das bezog sich auch auf Hinweise, nach denen Alberto in einen Steuerskandal verwickelt sein soll. Während seiner Zeit bei den Corinthians soll er Teile seines Gehalts am Fiskus vorbei auf Schweizer Konten geleitet haben.

Die Rolle des Rambos hat Alberto ebenfalls im Repertoire. Im November 2007 lieferte er sich eine Schlägerei mit Boubacar Sanogo. Der bezichtigte den Kollegen, ihn absichtlich getreten zu haben und behauptete: „Der Mann ist verrückt.“ Plötzlich meldeten sich andere Spieler, die von brutalen Grätschen Albertos zu berichten wussten.

Dass bei der Verpflichtung Fehler gemacht wurden, will Allofs nicht bestätigen. Bei der sportärztlichen Untersuchung sei nichts festgestellt worden, erklärt Werder-Vorstand Jürgen Born, der Carlos Alberto für einen „Riesenfußballer“ hält. Eigentlich. Man habe zwar gewusst, dass ihm ein zweifelhafter Ruf vorauseilte. Die Bremer Macher verweisen aber darauf, dass Werder schon mit einigen angeblich schwierigen Charakteren Erfolg gehabt habe. „Ailton ist jahrelang wie Falschgeld herumgelaufen“ erinnert Born.

„Wir haben eine Engelsgeduld“, sagte Allofs zu Jahresbeginn. „Ich hoffe, dass er uns irgendwann dafür entschädigt.“ Wie lange Carlos Alberto Zeit dafür hat, sagt der Sportdirektor nicht. Aber er denkt laut über einen Verkauf nach: „Im Moment ist es noch kein Thema, aber es ist klar, dass so etwas mit der Zeit als Option im Raum steht.“

Das Problem dürfte sein: Welcher Fußballverein hat Interesse an solch einem Problemfall. Vielleicht sollte Werder Bremen sich an brasilianische TV-Produzenten wenden. Dort sind „Doku-Soaps“ noch populärer als in Deutschland.