Auf den Spuren der Himmelsstürmer

Eine frühe Idee von der Globalisierung: Das Festival „asian hot shots“ im Babylon Mitte zeigt Filmklassiker der Philippinen

Tahimiks Film ist eine Rückwendung des exotisierenden Blicks auf den Westen selbst

Wie viel eine persönliche Empfehlung von Quentin Tarantino heute noch wert ist, kann das filminteressierte Publikum der Hauptstadt zur Eröffnung von „asian hot shots berlin. festival for film and video art“ überprüfen: Der von ihm empfohlene Film „Keka“ von Quark Henares erzählt von einem Polizisten und einer Serienmörderin, vom Alltag in einem Call-Center und nächtlichen Abschweifungen. Das philippinische Kino hatte immer schon einen sehr selbstverständlichen Umgang mit dem Übernatürlichen (und mit Trash-Formaten), und man darf ruhig davon ausgehen, dass Quentin Tarantino seinem Urteil eine genauere Kenntnis der einschlägigen lokalen Filmgeschichte zugrunde gelegt hat.

Auf der Landkarte des Weltkinos sind die Philippinen bisher noch weitgehend „terra incognita“, dies ändert sich jedoch im Augenblick grundlegend – für das Forum der Berlinale kündigen sich eine ganze Reihe von interessanten Beiträgen aus dem südostasiatischen Archipel an. Das Festival „asian hot shots berlin“ im Babylon Mitte und im Z-inema beschränkt sich im Verlauf der nächsten sieben Tage keineswegs auf die Philippinen, im Gegenteil bietet es eine so enorme Programmvielfalt (100 Filme!), dass sich unweigerlich die Frage nach dem Sinn einer derartigen Überfülle von Titeln bietet, zu denen jeweils nur ein Minimum an Kontext geboten werden kann. Es gibt Bollywood-Epen und japanische „Pocket“-Filme, es gibt „ein Potpourri asiatischer Animationsgoldstücke“ und es gibt einen Beitrag aus Indonesien mit dem Titel „Kala“, zu dem das Programm die folgenden Angaben macht: „Eros, ein schwuler Polizist mit einem Geheimnis, und Janus, ein ausgebrannter, narkoleptischer Journalist, versuchen hinter das Geheimnis von fünf verkohlten Leichen zu kommen und ahnen dabei nicht, in welches Wespennest sie stechen.“ Vermerkt werden muss schließlich noch, dass die „asian hot shots berlin“ auch Green Chilies Awards vergeben.

Die Philippinen bilden innerhalb dieser amorphen Masse einen Schwerpunkt, wobei vor allem der angekündigte Besuch von Kidlat Tahimik in Berlin größte Aufmerksamkeit verdient. Dieser Grenzgänger zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, zwischen Essay und autobiografischem Kino hat im Alleingang das postkoloniale Kino in seinem Land begründet. Der selten zu sehende moderne Klassiker „Der parfümierte Alptraum“ (1977) erzählt von einer frühen Idee von Globalisierung.

Kidlat Tahimik tritt selbst auf, in seinem Dorf ist er der Präsident des „Wernher-von-Braun-Fanclubs“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Philippinen näher an die Errungenschaften der internationalen Raumfahrt heranzuführen. Mit viel vorgeschützer Naivität und kleinem technischen Apparat macht Kidlat Tahimik sich auf den Weg nach Westen, wo er erst in Paris, später in Süddeutschland hochinteressante Entdeckungen macht: Vor allem die Architektur des gerade entstehenden Centre Georges Pompidou erscheint ihm ausgesprochen himmelsstürmerisch, aber auch die Zwiebeltürme bayerischer Kirchen sind ihm mehr als nur religiöse Symbole. „Der parfümierte Alptraum“ ist eine Rückwendung des exotisierenden Blicks auf den hegemonialen Westen selbst, es ist eine sehr witzige Dekonstruktion von Identitätsmustern in einer Kultur, die Natur vor der Haustür hat und Technologie nur in Übersee zu kennen meint.

1983 ließ Kidlat Tahimik noch den Film „Turumba“ folgen, in dem traditionelles Handwerk durch einen Auftrag aus Deutschland an die Kapazitätsgrenzen stößt – ausgerechnet auf dem Oktoberfest finden sich Abnehmer für die philippinischen Produkte. Am 18. Januar wird Kidlat Tahimik an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Präsentation eines Buches über „Deutsch-philippinische Kinokontakte“ persönlich sprechen.

Ein zweiter Schwerpunkt zu den Philippinen wird durch eine Auswahl von Filmen des 1996 verstorbenen Regisseurs Ishmael Bernal geboten: In „Himala“ („Wunder“, 1982) zum Beispiel geht es um eine Marienerscheinung und deren mediale Ausbeutung und dabei auch um die Vermischung von Mainstream-Anspruch, Genre-Idiomen und Autorenhaltung, die nicht nur bei diesem Regisseur so eigenwillig erscheinende Ergebnisse gezeitigt hat.

Ganz aktuell wird schließlich die Präsentation von „Squatterpunk“, einer billigst hergestellten Dokumentation über Jugendliche in den Favelas von Manila. Der Regisseur Khavn reist derzeit mit dem Film durch Europa und spielt live zu den Vorführungen jeweils einen Soundtrack – ein „hot shot“ innerhalb eines Festivals, das zwischen so vielen „heißen Schüssen“ hoffentlich auch noch Zeit findet, sich von allen diesen Feuerwerken so etwas wie einen Begriff zu machen.

BERT REBHANDL

Das „asian hot shots Berlin“ läuft vom 16. bis 22. Januar im Babylon Mitte und im Z-inema