Jukebox

Ein Zeichen von Luxus, ein Zeichen von Mangel

Popgeschichte fängt immer mit B an. B wie Beatles. B wie Bob Dylan. Mit „Sgt. Pepper“ visualisierten die Beatles das gewachsene Selbstbewusstsein von Pop. Und popularisierten den schieren Luxus. Handelte es sich hier doch um ein Klappcover, das in dieser grafisch expandierenden Zeit um 1967 dann als vorbildlich zu gelten hatte. Ein Überfluss aber mit eingebautem Mangel, weil in so einem Klappcover ja Platz für zwei Platten wäre, und das wiederum brachte Bob Dylan seine Spitzenposition ein. Sein „Blonde on Blonde“, 1966 veröffentlicht, gilt als erstes Pop-Doppelalbum der Musikgeschichte. In Deutschland, das sich erst mal an Neues gewöhnen muss, wurde es einzeln als Vol. 1 und 2 herausgebracht.

Das Problem war nur, dass im gemeinen Fußvolk des Pop zum Befüllen der doppelten Plattentasche die Kreativität dann meist nicht reichte, um wirklich vier Plattenseiten zu bespielen. Dass das Doppelalbum dennoch zum bestimmenden Format der Frühsiebziger wurde, liegt an einer fast vergessenen Kulturtechnik: dem Live-Doppelalbum. Die Vorzüge lagen auf der Hand: die vier Plattenseiten mit ihren circa 90 Minuten Laufzeit ließen sich leicht mit einem der damals handelsüblichen eineinhalbstündigen Konzerte einer Band füllen, die sie ja sowieso geben musste, als Konzerte nach dem Woodstock-Erscheinungsfest zum ganz großen Geschäft ausgebaut wurden. Damals in der guten, vordemokratischen Zeit, als Plattenmachen noch so umständlch wie teuer war. Dafür gab es die Plattenindustrie, und die musste sich damals schon mit Wegelagerern herumärgern. Die einst tonnenweise herausgebrachten „offiziellen“ Livedoppelalben sind nämlich ein industrieller Reflex auf die Bootleg-Alben, also die unter Umgehung aller Copyright-Vorschriften illegal verfertigten Konzertmitschnitte, die meist in Kleinstauflagen unters Fanvolk gebracht wurden.

Tatsächlich waren solche Bootlegs nur eine Randerscheinung, die allerdings beleuchtete, dass in der Mitte eine Menge los war. Das große Geschäft. Legale wie illegale Livemitschnitte gibt es immer noch. Als Randspuren neben vielen anderen Randspuren um eine verloren gegangene Geschäftsmitte. Aber Überleben muss man doch. Allein von Wishbone Ash beispielsweise – ihr Doppelbeitrag zu den Siebzigern die „Live Dates“ (1973) – gibt es im neuen Jahrtausend bereits vier Livealben. Am Dienstag spielen die Zweigitarrenrocker im Quasimodo. Kann man sich ja mit dem Handy mitschneiden.

THOMAS MAUCH