Lüdemann wird immer blasser

In der Sondersitzung des Rechtsausschusses zum Justizskandal steht der Senator mit dem Rücken zur Wand. Die Opposition wirft ihm vor, versucht zu haben mit den falschen Zahlen Politik zu machen

VON ELKE SPANNER

Senator Carsten Lüdemann (CDU) hat sich wieder einen Statistikexperten mitgebracht, dieses Mal Oberstaatsanwalt Martin Köhncke. So war es schon am Mittwoch, als er erstmals nach Bekanntwerden des Statistikchaos in seiner Behörde an die Öffentlichkeit trat. Am Freitagabend aber will niemand mehr etwas über die Tastenabfolge im Computerprogramm Mesta erfahren. Spätestens seit die Opposition diese Sondersitzung des parlamentarischen Rechtsausschusses einberufen hat, ist der Fall ein Politikum. Doch Lüdemann hält an seiner Linie fest: Ein Statistikproblem, mehr nicht.

Seine Erklärung, die er zu Beginn abgibt, ist fast 100 Prozent wortgleich mit seinen Ausführungen am Mittwoch. „Die Dimension des Problems habe ich am Anfang nicht erfasst“, ist der einzige selbstkritische Satz, den der Senator zum Auftakt der Sitzung sagt. Im Übrigen überlässt er das Wort dem Oberstaatsanwalt.

Doch die Opposition macht das nicht lange mit. Der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel hält Lüdemann zum Auftakt vor, der Senat habe in den vergangenen Jahren „nicht unwesentlich versucht, mit den falschen Zahlen Politik zu machen“. Nach wie vor sei die Verantwortlichkeit des Senators ungeklärt.

Mit seiner Strategie, die Justizpanne zum Statistikproblem kleinzureden, ist Lüdemanns Problem im Laufe der vergangenen Tage nicht kleiner, sondern größer geworden. Am Mittwoch musste der Justizsenator einräumen, dass es nicht nur in der Statistik verurteilter Jugendlicher Fehler gegeben hat. Auch bei den Erwachsenen lief einiges schief: Die Fehlerquote in der Statistik verurteilter Straftäter erreicht ein Ausmaß von bis zu zehn Prozent. Am 9. Oktober habe er von dieser Panne erfahren, gestand Lüdemann – und handelte sich beim SPD-Abgeordneten Dressel den Titel „Lügemann“ ein.

Der Senator steht mit dem Rücken zur Wand. Als er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Bekanntwerden des Zahlenchaos am Mittwoch die Frage nicht beantworten konnte, wie ihm die Statistikfehler all die Jahre entgehen konnten, hatte Lüdemann die Opposition angegriffen: Deren Aufgabe sei schließlich die Kontrolle des Senates, also hätten SPD und GAL den Fehler ebenso bemerken müssen. Die behaupten, das auch getan und den Senator wiederholt darauf hingewiesen zu haben. Der GAL-Justizpolitiker Till Steffen wies auf mehrere Senatsanfragen hin, die den Widerspruch des angeblichen Anstiegs an Gefangenenzahlen zum Leerstand in den Gefängnissen thematisierten. Er erinnerte auch an Presseberichte aus den Jahren 2005 und 2006 zu dieser Frage. Vor dem Hintergrund sei es „ein dolles Ding“, so Steffen, dass Lüdemann „seine Versäumnisse auf die Opposition abschieben will. Dafür, dass Herr Lüdemann keine Zeitung liest, kann ich nun gar nichts“. Lüdemann behauptete vor dem Ausschuss, er nehme Zeitungsberichte durchaus zur Kenntnis. Ob er aber auch diese widersprüchlichen Zahlen damals gesehen habe und was er sich dabei gedacht habe, so Lüdemann, „kann ich nicht mehr sagen“.

Die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.