Kampf um Sunset-Grill und Taco-Imbiss

Neue Etappen bei den US-Vorwahlen: Die Republikaner wählen im Südstaat South Carolina, die Demokraten bemühen sich in Nevada um die Stimmen der wachsenden Latino-Bevölkerung. Klare Favoriten gibt es wiederum auf beiden Seiten nicht

Ein Gewinner ist nicht in Sicht – niemand, der die Republikaner einen könnte

AUS SOUTH CAROLINA ADRIENNE WOLTERSDORF

Es kommt nicht so oft vor, dass Ü-Wagen der großen Fernsehsender sich in Orte begeben wie Columbia oder Charleston. Doch an diesem Samstag wählen in South Carolina, dem ersten Südstaat im Primaries-Kalender der Präsidentschaftswahlen 2008, die Republikaner. Seit drei Tagen rasen die Favoriten und mit ihnen die Medien von Aula zu Konferenzraum und kreuz und quer durch den 4,3 Millionen Einwohner zählenden Staat. Jede Stimme mehr kann entscheiden, wer das Rennen macht.

John McCain, der in New Hampshire siegte, der Baptistenprediger Mike Huckabee, der in Iowa gewann, und der Mormone Mitt Romney, der zuletzt am Dienstag Michigan von sich überzeugen konnte – sie alle hoffen, in South Carolina endlich den ersehnten Vorsprung zu bekommen. Außer ihnen rechnen sich hier im beginnenden Bibelgürtel aber auch der Exsenator aus Tennessee Fred Thompson, der Außenseiter Duncan Hunter und der unabhängig auftretende Ron Paul gute Chancen aus. Auch Rudy Giuliani wird auf den Wahlzetteln stehen, doch blicken lässt er sich in South Carolina nicht, sondern tourt weiter durch Florida, wo er sich mehr Delegiertenstimmen verspricht.

Ein echter Gewinner ist nicht in Sicht – und damit auch nicht die Antwort auf die Frage, wer oder was die Republikaner nach George W. Bush einen könnte. Den Richtigen zu finden, damit haben die meisten so ihre Schwierigkeiten – und wenn es endlich so weit ist, lohnt es sich schon mal, dafür auch den Schlips umzubinden.

Charles Cipriano, Teppichreinigungsunternehmer aus South Carolinas Hauptstadt Columbia, hat seinen besten Anzug angezogen. Dass er an diesem Abend ausgerechnet zu einer Veranstaltung von Mitt Romney gehen würde, hätte er sich vor einem Monat nicht vorstellen können. Noch Anfang Dezember arbeitete der 45-Jährige als ehrenamtlicher Helfer für Mike Huckabee. Obgleich ihm der religiöse Rigorismus Huckabees gefiel, fand er ihn als Kandidaten bald zu unseriös. Cipriano wandte sich Duncan Hunter zu. Als klar wurde, dass Hunter kaum eine Chance haben würde, liebäugelte er mit John McCain. In ihm erkennt er den Inbegriff des amerikanischen Helden – aber McCains liberale Haltung zur Immigration findet Cipriano haarsträubend. Nun also Mitt Romney.

Nach einer Führungsfigur sucht auch die 34-jährige Linda Stutler. Sie ist mit ihren beiden kleinen Kindern am frühen Morgen zum Sunset-Grill gekommen, weil Fred Thompson dort auftreten wird. Für die Soldatenehefrau ist der konservativste Kandidat gerade gut genug. Fred verstehe, „dass man uns Amerikaner einfach machen lassen muss“, sagt sie mit Vehemenz. „Amerika, das ist Kapitalismus und harte Arbeit. Wir brauchen kein Washington, das uns da reinfunkt, denn wir wissen selbst, was am Besten für uns ist.“ Kandidaten wie McCain, die für staatliche Unterstützung der Bedürftigsten sind oder der kränkelnden Wirtschaft unter die Arme greifen wollen, sind für sie Verräter. Dennoch: Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Umfrage könnte McCain mit 29 Prozent in South Carolina gewinnen. Mike Huckabee könnte 22 und Mitt Romney 12 Prozent erlangen.

Die Demokraten halten ihre Vorwahl in South Carolina erst eine Woche später ab – an diesem Samstag geht es bei ihnen in Nevada zur Sache. Der am schnellsten wachsende US-Staat spielt zum ersten Mal überhaupt eine wichtige Rolle im komplizierten US-Wahlprozess. Die Demokratische Parteiführung in Washington hatte dem westlichen Bundesstaat eine prominente Rolle bei der Kandidatennominierung eingeräumt, um die Stimmen der rasant wachsenden Latino- und Hispanic-Gemeinden für sich nutzen zu können.

Das zeigt Wirkung: Barack Obamas Team feilt an spanischen Textpassagen. Hillary Clinton schaute diese Woche bei einem mexikanischen Imbiss vorbei und biss in pikante Taco-Sandwichs. Die Ex-First-Lady besuchte zudem eine Immigrantenfamilie. Die Zuwanderer aus Lateinamerika stellen schon 15 Prozent der Bevölkerung Nevadas und haben die Afroamerikaner als zweitgrößte Bevölkerungsgruppe abgelöst. Über ihre politischen Vorlieben aber tappen Meinungsforscher im Dunkeln. In sozialen Fragen seien sie konservativer Mainstream, in Fragen der Immigration eher liberal – oder sehr konservativ.

Analysten rätseln, wie vor allem der schwarze Kandidat Obama bei den Latinos ankommen könnte. In Kalifornien etwa bestimmen seit langem Rivalitäten um knappe Ressourcen wie Jobs und billige Wohnungen das Verhältnis zwischen beiden Minderheiten. Gute Karten im Glücksspiel- und Kasinostaat hat Obama durch die kürzlich ergangene Wahlempfehlung der Gastronomiegewerkschaft. Die verfügt mit rund 60.000 Mitgliedern – darunter zahlreichen Latinos – über großen Einfluss. Sahen die Umfragen lange Zeit Clinton weit vorn, konnte Obama sie zuletzt knapp überholen.