Firmenboykotts statt neuer Demos

Kenias Opposition kündigt zum Abschluss ihrer Proteste einen Strategiewechsel an

NAIROBI taz ■ Wer Kenias Opposition stärken will, der darf ab heute keine Milch von „Brookside“ mehr trinken, nicht mit dem „Citi Hoppa“-Bus zur Arbeit fahren und den schwachen Schilling nicht mehr bei der Equity Bank anlegen. Mit solchen Boykotten, so kündigte der Sprecher von Oppositionsführer Raila Odinga, Salim Lone, am Freitag an, sollen die Hardliner in der Regierung in die Knie gezwungen werden. Denn denen gehören die genannten Unternehmen. Der Angriff auf den Geldbeutel soll die Demonstrationen ersetzen, bei denen auch am Freitag mehrere Menschen ums Leben kamen. Trotz einer geringeren Beteiligung als erwartet war es der Opposition seit Mittwoch wie geplant gelungen, weite Teile des Landes lahm zu legen. Der Preis waren Polizeiangaben zufolge 14 Tote – Opposition und Augenzeugen gehen von weit höheren Opferzahlen aus.

Erstmals starb bei den Protesten am Freitag auch ein Mann im Süden des Landes: Demonstrierende Massai durchbohrten einen Angehörigen der Kikuyu-Volksgruppe, zu der auch der umstrittene Präsident Mwai Kibaki zählt, mit einem vergifteten Pfeil. Ein junger Mann kam in Mombasa ums Leben, nachdem Polizei eine Demonstration von Muslimen mit Tränengas aufgelöst hatte. Von besonders schlimmer Gewalt berichteten Augenzeugen aus dem Mathare-Slum in der Hauptstadt Nairobi. „Da treiben massenhaft Leichen im Fluss“, erzählt ein Bewohner. Milizen, die Odingas Luo-Volksgruppe angehören, gingen von Haus zu Haus, um Kikuyu aufzuspüren und zu ermorden.

Bürgerrechtler präsentierten unterdessen erstmals detaillierte Zahlen, die die Wahlfälschung zugunsten von Kibaki belegen sollen. Die Listen vergleichen die Zahlen, die inländische Wahlbeobachter und ein Fernsehsender vor Ort in den Wahllokalen erhoben haben, mit den offiziellen der kenianischen Wahlkommission. „Der Unterschied beträgt mehr als 300.000 Stimmen“, sagte David Nidi, der Sprecher eines Bündnisses von Nichtregierungsorganisationen. Damit sei klar, dass Kibaki nicht gewählt worden sei. „Nach unserer Lesart befindet Kibaki sich immer noch in der ersten Amtsperiode.“

Ein UN-Sprecher bestätigte unterdessen, dass der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan gemeinsam mit Tansanias Expräsident Benjamin Mkapa und Nelson Mandelas Ehefrau Graça Machel ab Dienstag in der Krise vermitteln will. Annan hatte seine Reise aus gesundheitlichen Gründen um eine Woche verschoben. Eine erste Mission von Ghanas Präsident John Kufuor war ergebnislos geblieben.

Der Chef der kenianischen Menschenrechtskommission, Maina Kiai, forderte Kibaki und Odinga auf, miteinander zu verhandeln. „Wir spielen mit dem Feuer“, warnte Kiai. Die Wahl sei nur Ausdruck einer schon lange andauernden Krise. „Wir brauchen Frieden, nicht nur Ruhe im Land.“ MARC ENGELHARDT

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