Wolfgang Jüttner kommt wieder

Der SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen will trotz des desaströsen Wahlergebnisses vorerst sein Amt als Fraktionschef behalten. CDU und FDP wollen am kommenden Freitag mit Koalitionsverhandlungen beginnen

VON KAI SCHÖNEBERG

Sein Slogan lautete: Gerechtigkeit kommt wieder. Trotz seiner Wahlschlappe will SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner wieder Chef der Landtagsfraktion werden – wenigstens vorerst. „Es wäre auch vorstellbar gewesen, zu sagen, so das war’s jetzt“, sagte Jüttner am Montag. Der SPD-Landesvorstand habe ihn jedoch einstimmig dazu aufgefordert, am heutigen Dienstag erneut als Fraktionschef zu kandidieren. Die SPD-Spitzenkandidatur für die nächste Wahl 2013 sei jedoch für ihn „kein Thema mehr“, so Jüttner. 2010 wird ein neuer Fraktionschef gewählt.

Wegen seiner „Kompetenz und Integrationsfähigkeit“ sei Jüttner der Richtige, um den Übergang für die SPD-Fraktion zu organisieren, sagte Landesparteichef Garrelt Duin. Gleichzeitig kündigte er an, sich auf dem Landesparteitag Mitte des Jahres erneut für das eigene Amt zur Verfügung zu stellen. Ob er 2013 SPD-Spitzenkandidat werden will, ließ Duin offen. Eine Kommission soll bis zum Sommer die Aufteilung der Landes-SPD in vier Bezirke beraten: Sie gilt als ineffektiv.

Zuvor hatte Duin von einem „katastrophalen Ergebnis“ gesprochen: Die SPD gehe jetzt in Niedersachsen „auf die lange Strecke“. Am Sonntag hatte die Partei mit 30,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Niedersachsen nach dem Krieg eingefahren. Duin schob die Verluste auch auf die „massiven Vertrauensverluste gegenüber der Sozialdemokratie in ganz Deutschland“. Die Wahlkampfstrategie der SPD habe „zu sehr auf die Gruppen gezielt, die auch von der Linkspartei bedient werden“. Künftig müsse man sich „breiter“ aufstellen, beim „Normalbürger“, der nicht von Langzeitarbeitslosigkeit oder Mindestlohn betroffen ist, habe die Kampagne der SPD nicht gezogen.

Die Partei müsse akzeptieren, so Duin, dass „die Linke ein dauerhafter Spieler auf parlamentarischer Ebene geworden ist“.

2003 hatte die SPD bei der Landtagswahl nur neun Wahlkreise direkt erobert, am Sonntag besiegte sie die CDU in 19 Wahlkreisen. Die Union errang 68 Direktmandate, 23 weniger als 2003. Offenbar hatten sich die Wähler mehrfach mit ihrer Erststimme für einen SPD-Kandidaten entschieden. Duin nannte etwa Swantje Hartmann aus Delmenhorst: Sie kam in ihrem Wahlkreis auf 43,1 Prozent der Erststimmen, bei den Zweitstimmen landete die SPD in Delmenhorst hingegen nur bei 34,9 Prozent. Für viele in der Partei ist das die Schuld Jüttners.

Trotz herber Einbußen – die CDU hat insgesamt fast 500.000 Stimmen im Vergleich zu 2003 verloren – sprach CDU-Ministerpräsident Christian Wulff von „einem der drei Traumergebnisse“ seiner Partei in der Nachkriegszeit: Nur 1982 und 2003 hätten die Christdemokraten im Land mehr als zehn Prozentpunkte vor der SPD gelegen. Die mit 57 Prozent historisch niedrige Wahlbeteiligung habe nicht nur am „schlechten Wetter“ gelegen, so Wulff. Vor allem CDU und SPD hätten wegen der klaren Umfrageergebnisse Probleme bei der Mobilisierung gehabt. Er kenne CDU-Wähler, die wegen „Bauchschmerzen“ nicht zur Wahl gegangen seien, weil die Landesregierung den Niedersachsen in den vergangenen fünf Jahren „auch Opfer zugemutet“ habe.

Je sechsköpfige Kommissionen von CDU und FDP sollen ab Freitag mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Am 26. Februar soll der neue Landtag Wulff dann als Regierungschef wählen. Die schwarz-gelbe Koalition wird mit insgesamt 81 Sitzen weiterhin über eine Mehrheit im Parlament verfügen.

Welche Forderungen sich aus der relativ gewachsenen Stärke der Liberalen ergeben, wollte FDP-Generalsekretär Stefan Birkner nicht sagen. Allerdings: Die beiden FDP-Minister Walter Hirche (Wirtschaft) und Hans- Heinrich Sander (Umwelt) sollen aus FDP-Sicht weiter im Amt bleiben.

Die Liberalen fuhren ihr bestes Niedersachsen-Ergebnis seit 45 Jahren ein, die Grünen schafften den größten Erfolg seit ihrem Einzug in den Landtag 1982. Dass ihre Partei dennoch nur Vierte wurde, fand Spitzenkandidatin Ursula Helmhold „natürlich ärgerlich“. Die geringe Wahlbeteiligung lag aus ihrer Sicht daran, dass Wulff „sämtliche Konfliktfelder“ abgeräumt habe.

Helmhold hat zwar der Linken-Spitzenkandidatin Kreszentia Flauger schon zum Einzug ins Parlament gratuliert. Allerdings müsse die Linke noch ihre „Parlamentstauglichkeit“ beweisen. Die neue fünfte Kraft im Leineschloss in Hannover war fast landesweit erfolgreich: Nur in sieben von 87 Wahlkreisen reichte es nicht zum Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.