Wie hältst du’s mit der Linkspartei?

Stillstand in Hessen, Schotten dicht in Hamburg: SPD und Grün-Alternative schließen jede Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch aus. Müssten sie nicht eigentlich jede Chance zu einem Politikwechsel ohne die CDU offen halten?

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Wenn das so weitergeht, werde ich zur Protestwählerin. Um SPD und GAL für ihren Starrsinn abzustrafen. Anstatt aus der Hessenwahl die Erkenntnis zu ziehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung den Wechsel zu einer anderen Politik ernsthaft will und deshalb die Linke wählt, verstärkt die Hamburger SPD ihre Anti-Links-Kampagne mit der Behauptung: Wer links wählt, wählt die CDU von Ole von Beust. Dabei ist in diesen Tagen offensichtlich, dass die These nur solange stimmt, wie SPD und GAL an ihrer arroganten Linie festhalten und mit der Linkspartei nicht einmal reden wollen. Sie sollten akzeptieren, dass die Linke für den sozialen Wechsel steht, mit dem sie selbst Wahlkampf machen. Dann könnten sie sich auf den Regierungswechsel in Hamburg freuen.

Lachhaft ist die Forderung der Jusos, die Linken mit ihrem „Zerstörungspotenzial“ sollten ihre Kandidatur in Hamburg zurückziehen. Wer in Hessen gerade das Chaos verursacht, steht außer Frage. Mit dem Argument, Wort halten zu wollen, bricht die dortige Landesvorsitzende ihr Wahlversprechen gerade: Andrea Ypsilanti ist gewählt worden, weil sie in der SPD als Linke gilt. Die Wähler, die ihr die Stimme gegeben haben, wollen eine sozialere Politik. Die bekommen sie aber nicht mit der FDP oder der Großen Koalition. Die gibt es nur in Kooperation mit der Linkspartei. Der Wählerbetrug liegt darin, durch den Boykott der Linkspartei die gewählte Politik zu vereiteln.

In Hamburg sind die Konstellationen vergleichbar. Auch hier gibt es eine CDU-Regierung, auch hier kommt die Linkspartei den Prognosen zufolge ins Parlament. Darauf sollten GAL und SPD sich einstellen, indem sie sich endlich inhaltlich mit der Linkspartei befassen. Dass die personell einen wenig attraktiven Eindruck vermittelt, steht außer Frage. Auch, dass sie keine parlamentarische Erfahrung besitzt. Na und? Gerade die Grünen sollten neuen Parteien Anfängerfehler zugestehen, so alt sind sie schließlich selbst noch nicht. Man muss ja nicht gleich koalieren. Man kann sich auch tolerieren lassen. In Sachsen-Anhalt hat das acht Jahre lang gut funktioniert. Das könnte im Einzelfall schwierig werden? Stimmt. So ist das in der parlamentarischen Demokratie: Man muss miteinander reden. Daran sollte der Wechsel in Hamburg nun wirklich nicht scheitern. ELKE SPANNER

contra

Es gibt gute Gründe für SPD und GAL, sich zurzeit nicht mit der Linkspartei gemein machen zu wollen: Grundsätzliche, programmatische und taktische. Dennoch heißt das nicht, dass sie es niemals tun werden.

Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass die Linke über die WASG aus der Opposition zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik einer rot-grünen Bundesregierung entstanden ist. Da hilft kein Relativieren und kein Gedächtnisschwund: Sowas trennt nachhaltig.

Gleichwohl ist die Programmatik in weiten Teilen vereinbarer, als alle drei zurzeit zugeben wollen. Hartz IV oder Afghanistan sind keine landespolitischen Themen, 50 Cent mehr oder weniger Mindestlohn ist eine lösbare Frage, das Klima retten ohne Kohle wollen sie alle und selbst in der Schulpolitik sind sie sich näher, als es auf den ersten Blick scheint.

Politische Pole sehen anders aus: Grüne und FDP zum Beispiel sind bei Justiz und Bürgerrechten nahezu deckungsgleich, in allen anderen Fragen trennen sie Welten. Wenn in der realen Hamburger Politik zwei Farben definitiv nicht zusammenpassen, dann Grün und Gelb.

Weil SPD und GAL schon lange – und wenig überraschend – auf Koalitionskurs sind, können sie nicht mit einem dritten Partner flirten. Das würde ihre Position schwächen. Zudem müssen sie es nicht, weil die Linke keine Koalition eingehen will. Sie bietet – und selbst das hat der Parteitag vor drei Wochen noch relativiert – vielleicht eine Tolerierung an. Und beweist damit politische Unreife und taktisches Unvermögen.

Tolerierungsmodelle haben in Deutschland keine Tradition und sind seit dem Debakel der Heide Simonis vor drei Jahren in Kiel nicht eben beliebter geworden. Zwei ackern im Alltag, und der dritte hebt oder senkt den Daumen. Verlässlich ist das nicht. Wer aber gestalten will, muss auch regieren wollen, alles andere ist Selbstzweck.

Sollten nach dem 24. Februar in Hamburg hessische Verhältnisse herrschen, muss deshalb die Linke Rot-Grün ein festes Bündnis links von der Union anbieten. Tut sie es nicht, erzwingt sie eine CDU-dominierte Koalition, die sie nicht wollen kann, oder Neuwahlen. Und SPD und GAL sollten dann bedenken, dass die Erstwähler von 2008 nach dem Mauerfall geboren wurden. Sven-Michael Veit