„Das ist tödlich für das Betriebsklima“

Die Deutsche Orchestervereinigung streitet mit ihrem Arbeitgeberverband, dem Deutschen Bühnenverein, um die Tarifentwicklung. In einigen Städten führte das bereits zu Warnstreiks der Orchester: Sie unterbrachen ihre Proben

RÜDIGER KUNZ, 43, ist Bratschist am Staatsorchester Oldenburg und Oldenburger Delegierter der Deutschen Orchestervereinigung.

taz: Herr Kunz, in der vergangenen Woche legten die Musiker des Oldenburgischen Staatsorchesters während einer Probe für 15 Minuten ihre Instrumente nieder. Ist diese Form des Warnstreiks ein wirkungsvolles Mittel in der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung?

Rüdiger Kunz: Es war sogar ein sehr wirkungsvolles Mittel. Ich habe am Anfang auch gezweifelt. Weil man sieht ja immer die Streiks bei der Deutschen Bundesbahn, bei denen richtig was los ist. Aber ich merkte: Im Haus gibt es eine sehr breite Solidarität.

Aber ist ein Warnstreik während einer Probe nicht etwas, das nur das Orchester merkt, – und zwar im negativen Sinne?

Das Risiko gäbe es natürlich. Aber es war keine Generalprobe, sondern eine einfache Sitzprobe. Da haben wir schon darauf geachtet. Man kann natürlich auch ganze Proben bestreiken, Vorstellungen oder Premieren. Das sind die Eskalationsszenarien. Aber dass mal für 15 Minuten eine Probe ausfällt, das muss man kompensieren können.

Ihnen ging es also in erster Linie um die Aufmerksamkeit für Ihre Position?

Genau. Im Endeffekt ist das Problem die etwas sture Haltung des Bühnenvereins …

der als Arbeitgeberverband für das künstlerischen Personal der Theater und Orchester die Tarifverträge abschließt. Worum geht es bei der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung genau?

Die technischen Abteilungen und die Verwaltung im Staatstheater in Oldenburg haben jetzt als Angestellte des Landes eine Lohnerhöhung gekriegt im Rahmen des Tarifvertrages der Länder. Beim künstlerischen Personal ist der Tarifvertrag noch offen. Unsere Forderung ist, dass die Orchestermusiker eines Theaters genauso behandelt werden wie die Angestellten in Verwaltung und Technik. Das verweigert der Bühnenverein. Er möchte ein einheitliches Tarifrecht in ganz Deutschland, dabei aber den Tarifabschluss immer nur angleichen an das geringstmögliche Niveau. Das geringstmögliche Niveau gibt es derzeit in Hessen und Berlin – und es liegt bei null. Die Angestellten der Länder aber bekommen jetzt knapp drei Prozent mehr Gehalt.

Warum sollte die Arbeitgeberseite ihre Haltung ändern?

Es ist in einem Betrieb nicht durchzuhalten, dass es für einen Teil der Beschäftigten mehr Lohn gibt, und die anderen kriegen nichts. Das ist tödlich für das Betriebsklima.

Wie kampfbereit sind die Orchestermusiker?

Wir sind zu weit über 90 Prozent in der Gewerkschaft organisiert. Es hat das schon mal gegeben, dass Vorstellungen bestreikt worden sind. Das ist viele Jahre her und war vor meiner Zeit. Aber ich hoffe, dass man sich vorher friedlich einigt. Denn Streik ist keine angenehme Sache.

Interview: KLAUS IRLER