Aalglatt, aber tierlieb

Jean Ping ist vor allem ein Symbol. Der neue Kommissionschef der Afrikanischen Union (AU) ist formell ab jetzt der mächtigste Diplomat des Kontinents. Er steht für die Ambivalenz des zeitgenössischen Afrika. Der Sohn einer Gabunerin und eines chinesischen Händlers, der während des Zweiten Weltkriegs aus Frankreich nach Gabun auswanderte, personifiziert die Hinwendung Afrikas nach Asien. Seine Heimat ist ein reiches und korruptes Ölland und der engste Verbündete Frankreichs auf dem Kontinent. China steht in den Augen vieler Afrikaner für eine lichte Zukunft, Frankreich für eine düstere Vergangenheit.

Seine diplomatischen Sporen verdiente sich Ping bei den Vereinten Nationen, als Präsident der UN-Generalversammlung von 2004 bis 2005, wo er auch den gigantischen „Weltgipfel“ der UNO über die UN-Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut im September 2005 vorbereitete. Als Kabinettsdirektor des Präsidenten Gabuns seit 1984, dann Informations-, Energie- und schließlich ab 1999 Außenminister dürfte Ping einiges über Armutsbekämpfung wissen. Gabun hat aufgrund seines Ölreichtums das höchste Pro-Kopf-Einkommen aller Länder Afrikas, aber die Mehrheit seiner Einwohner lebt unter der absoluten Armutsgrenze. Ping gehört zum erlesenen Kreis der Günstlinge seines Präsidenten Omar Bongo, deren Immobilienbesitz in Paris jüngst von der französischen Polizei unter die Lupe genommen worden ist. Einmal wurden ihm bei einem Gipfeltreffen in Paris 150.000 Dollar in bar aus seinem Hotelzimmer geklaut.

Der 65-jährige Ping ist in seinem Land und bei der UNO spurlos aufgestiegen, und ob er jetzt in die großen Fußstapfen des ersten AU-Kommissionspräsidenten Alpha Oumar Konaré treten kann, ist ungewiss. Konaré, der Mali einst zur Demokratie geführt hatte, hatte ein Talent für das bissige Bonmot zum richtigen Augenblick. Von Ping wird aus Gabun lediglich eine übergroße Tierliebe gemeldet – er füttere sogar die Ratten auf den Straßen, sagen manche ihm nach – und eine glückliche Hand bei diskreter Krisendiplomatie hinter den Kulissen in zentralafrikanischen Brennpunkten.

Die Staaten Zentralafrikas hatten ihn denn auch als AU-Kommissionschef aufgestellt. Sein schärfster Rivale, Libyens Afrikaminister Ali Triki, wurde wegen Formfehlern nicht zu Wahl zugelassen. Als Hauptkonkurrentin blieb eine Diplomatin aus Sambia übrig, die der Weltdiplomatie schon aus Namensgründen Kopfzerbrechen bereitet hätte: Inonge Mbikusita-Lewanika. So siegte Ping beim AU-Gipfel in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba am Freitagabend glatt mit 31 von 46 Stimmen. DOMINIC JOHNSON