Atomkraftwerke in den USA vor Abschaltung

Wegen der Trockenheit im Südwesten sinkt der Wasserstand in Flüssen und Seen. Mangel an Kühlwasser

WASHINGTON taz ■ Durch die extreme Dürre im Südwesten der USA verdorren nicht nur Farmland und Golfplätze. Auch ein Nachteil von Atomkraftwerken macht sich bemerkbar: Sie sind nicht gebaut für trockene Zeiten. Wenn es draußen zu heiß wird, reicht das Kühlwasser aus Flüssen und Seen nicht mehr aus.

Laut einer Übersicht der Nachrichtenagentur AP liegen 24 der 104 US-amerikanischen Atomkraftwerke in den Regionen des Landes, die seit vergangenem Sommer am meisten unter der schweren Trockenheit leiden. 22 von von ihnen stehen an Seen oder Flüssen, deren Wasserstand dramatisch abgenommen hat. Der von der Nuclear Regulatory Commission (NRC) vorgeschriebene Mindestwert könnte bald erreicht werden. Die Behörde gab an, die betroffenen AKW schließen zu wollen, wenn die Kühlwasserzufuhr gefährdet ist.

In der Dürreregion Südwest, die fünf Bundesstaaten umfasst, beziehen geschätzte 3 Millionen Stromkunden ihre Energie von vier kommerziellen Atomkraftwerken. Hinzu kommen in sieben US-Bundesstaaten 8,7 Millionen Kunden, die ihren Strom von der semistaatlichen Tennessee Valley Authority (TVA) geliefert bekommen. Die TVA produziert rund ein Drittel ihres elektrischen Stroms in Atomkraftwerken. Zwar versicherten die Energieversorger, dass es zu keinen Versorgungsengpässen kommen werde. Aber drastisch steigende Preise seien gewiss, hieß es, da der fehlende Strom von anderen Erzeugern dazugekauft werden müsse.

Damit die Wasserstände wieder auf ihren saisonalen Normalstand steigen können, müsste es in den kommenden drei Monaten überdurchschnittlich viel regnen. Doch es bleibt weiterhin trocken, Vorhersagen gehen von einem Anhalten der Dürre in diesem Jahr aus.

Die Firma Progress Energy Inc. hatte bereits im November mitgeteilt, dass sie den bei Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina liegenden Harris-Reaktor eventuell abschalten muss. Der Wasserstand im Harris-See ist bereits auf 73 Meter gesunken – bei einem weiteren Meter wäre der Mindeststand unterschritten, ab dem abgeschaltet werden muss. Der Harris-Reaktor muss täglich mit 124,74 Millionen Litern Kühlwasser gekühlt werden. Davon verdunstet etwas mehr als die Hälfte über die Kühltürme und wird somit dem See zusätzlich entzogen.

Auch der Norman-See bei Charlotte in North Carolina ist nur noch einen halben Meter über dem zulässigen Mindeststand. Das Unternehmen Duke Energy müsste sein Atomkraftwerk McGuire bei Erreichen abschalten, sagte dessen Sprecherin.

Bereits im August 2007 wurde der Reaktor Browns Ferry im US-Bundesstaat Alabama, der der TVA gehört, für einen Tag abgeschaltet. Grund: Der Wasserstand des Tennessee-Flusses war zu niedrig und seine Temperatur zu hoch, was der gesamten Ökologie Schaden zugefügt hätte. Bei Wassertemperaturen ab 28 Grad sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers so stark ab, dass Fische und Pflanzen ersticken.

Ein Herunter- und Wiederhochfahren von Atomkraftwerken sei möglich, der Vorgang sei jedoch riskant, warnt David Lochbaum, Direktor für Nuklearsicherheit bei der Union of Concerned Scientists. „Atomkraftwerke sind am sichersten, wenn sie gleichmäßig laufen. Veränderte Nutzung belastet die Ventile, Röhren und Motoren.“

„Wasser ist die Achillesferse der Nuklearindustrie“, schreibt Jim Warren, Direktor des Waste Awareness and Reduction Network, einer atomkritischen Umweltgruppe mit Sitz in North Carolina, in US-Medien. „Man braucht eine Menge Wasser, um Atomkraftwerke zu betreiben. Das wird bald eine Krise auslösen“, prognostiziert der Atomkritiker.

ADRIENNE WOLTERSDORF