nebensachen aus rom
: Stabil sind nur die Müllberge

„Ein für alle Mal“ werde er jetzt den Müll von Neapels Straßen räumen lassen, hatte Italiens Regierungschef Romano Prodi noch Anfang Januar getönt. Nicht einmal einen Monat später war er selbst weg vom Fenster, ein für alle Mal. Der Müll aber ist immer noch da, wo er schon vorher lag. Bloß das Zentrum Neapels ist geräumt, doch schon in den Randbezirken und erst recht in den Dörfern und Städten der Provinz stinkt er weiterhin zum Himmel. Hunderttausende Tonnen an Abfall rotten vor sich hin.

Das versetzt dem Selbstbewusstsein der Italiener einen weiteren Schlag. Überhaupt ist die Stimmung mies im Land, überhaupt verbreitet sich die Meinung, dass eigentlich nichts mehr geht. Nur noch als Fußnote melden beispielsweise die Zeitungen, dass die Stadt Catania jetzt öfters nachts die Straßenbeleuchtung ausknipst.

Total pleite ist die Kommune unter dem Forza-Italia-Bürgermeister – und Berlusconi-Leibarzt – Umberto Scapagnini; sie hat seit Monaten die Stromrechnung nicht beglichen, und auch Italiens Post will noch 10 Millionen Euro für die Briefsendungen der Stadt.

Sizilien dagegen wird bald auch genauso wie der gesamte Staat Neuwahlen erleben, denn der Regionspräsident Totò Cuffaro hat seinen Rücktritt eingereicht. Nicht etwa weil ein Gericht in Palermo ihn gerade zu fünf Jahren Knast verurteilt hat. Dieses Urteil hatte Cuffaro noch richtig gefeiert, da stand nämlich drin, dass er bloß Helfershelfer einiger Mafiosi war – nicht aber der Mafia als Organisation. Die Feier selbst wurde dem Ehrenmann zum Verhängnis; das ging dann doch zu weit, dass der Mann strahlend Journalisten und anderen Gästen sizilianisches Gebäck reichte, um die fünf Jahre würdig zu begehen.

Solche Nachrichten gibt es mittlerweile routinemäßig in Italien – und das „TG1“ auf dem Staatssender RAI, sprich Italiens Tagesschau, meinte deshalb, das Gemüt der Bürger ein wenig aufhellen zu müssen. „Nicht nur Müll“ heißt die Rubrik, die jetzt regelmäßig in den Abendnachrichten über den Bildschirm flimmert – und die den Zuschauern davon kündet, dass ihr Land zu mehr fähig ist als zur Produktion von Abfallbergen, von Misswirtschaft, politischen Skandalen oder Regierungskrisen.

Da fahren die Reporter dann in das „Molmed“-Werk von Mailand, um von Spitzen-Biotechnologie zu berichten, oder zur Firma „Eurotech“ bei Udine, die wunderschöne Kleinstcomputer baut. Dumm nur, dass der hartnäckig eingeblendete Titel „Nicht nur Müll“ die ganze Zeit an den unschönen Anlass für die Mutmach-Veranstaltung erinnert.

Das Parlament selbst sei ja zur Müllhalde geworden, spottet der Komiker Beppe Grillo in seinem Blog, der ganze Giftmüll der italienischen Politik werde da recycelt. Dem ist schwer zu widersprechen: Nachdem Bürgermeister Scapagnini seine Stadt Catania in den Bankrott getrieben hat, will er jetzt ein Parlamentsmandat erobern.

Und auch Siziliens Ex-Gouverneur Cuffaro schickt sich an, gleichsam als Prämie für die gerade eingeheimste Verurteilung, als Abgeordneter nach Rom umzuziehen.

Dort werden sie auf Volksvertreter stoßen, die schon in der vergangenen Legislaturperiode auf sich aufmerksam zu machen wussten. Zum Beispiel auf jenen Senator, Tommaso Barbato heißt er, der einen für Prodi stimmenden Kollegen bespuckte und dann mit der Hand das Zeichen einer Pistole formte. Oder auf Senator Nino Strano: Der kam mit seiner Ray-Ban-Sonnenbrille auf der Nase ins Parlament, beschimpfte den gerade von Barbato Angespuckten als „elende Schwuchtel“ und ließ dann die Sektkorken knallen, kaum hatte Prodi die Vertrauensabstimmung verloren. MICHAEL BRAUN