die taz vor 19 jahren über den versuch der cdu/csu, die türken loszuwerden
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Vielleicht hat er sich gar nichts dabei gedacht, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Johannes Gerster, als er jetzt einen Vorschlag zur Verschärfung der Ausländer-Politik präsentierte. Vielleicht hat er einfach nur aus dem Bauch gesprochen, und der hat ihm nichts anderes eingeflüstert, als Schönhuber und Konsorten so erfolgreich öffentlich predigen.

Rund 12.000 Mark, so schlägt Gerster vor, soll jedem Ausländer geboten werden, der freiwillig die Bundesrepublik verläßt. Diese 12.000 Mark „Ausreiseprämie“ sind exakt die Summe, mit der die Bundesregierung andernorts die Einreise deutscher Aussiedler aus Rumänien oder der Sowjetunion erkauft. Für die einen mit der falschen Nationalität und Hautfarbe zahlt man, daß sie gehen, für die anderen mit der richtigen Abstammung im Ahnenpaß legt man Devisen auf den Tisch, damit sie kommen.

Was ist eigentlich der Gerstersche Vorschlag anderes als Rassismus? Was sonst charakterisiert den Rassismus, wenn nicht dieses Unterscheiden qua Abstammung in werte und unwerte Menschen? Und wie könnte man plumpen Nationalismus treffender beschreiben als mit diesem Willkommensgruß für Fremde mit der richtigen Nationalität und dem Fußtritt für Nachbarn mit der falschen? Nein, ein Christdemokrat ruft nicht „Ausländer raus!“ – er macht entsprechende Gesetze. Um die Unerwünschten loszuwerden, legt er keine Brände in Ausländerwohnheime – er zahlt. Vom Denken her unterscheidet sich die Ausländerpolitik Schönhubers und die Gersters in den besseren Manieren des Letztgenannten. Im Gegensatz zu den rechtsradikalen Volkstribunen hat ein anständiger Vertreter einer Unternehmerpartei wie der CDU gelernt, daß eben alles seinen Preis hat, auch der Rassismus. Nur eines hat die CDU bisher nicht gelernt: daß es schäbig ist, an Wahlabenden „tiefe Betroffenheit“ in die Mikrofone zu hauchen und wenig später in den Chor der Fremdenfeindlichkeit einzustimmen.Vera Gaserow, 14. 2. 1989