Mühsame Suche nach Beweisen

Eine Diskriminierung nachzuweisen fällt Bewerbern oft schwer – zumal sie oft nicht wissen, wie sie ein Vorstellungsgespräch dokumentieren sollen und welche Details für ein juristisches Verfahren wichtig sein können

„Das reicht bei weitem nicht aus“ bescheidet die Arbeitsrichterin Karl B. (Name geändert) in der mündlichen Verhandlung knapp. Dem gehörlosen Mittdreißiger werden die Worte zwar in deutsche Gebärdensprache übersetzt, fassen kann er sie nicht: Vor knapp einem Jahr hat er sich innerhalb eines Konzerns auf eine Beförderungssstelle beworben. Das Anforderungsprofil passte, ein erster Kontakt mit dem Vorgesetzten verlief harmonisch. Dann passierte gar nichts mehr. Die Stelle wurde intern noch dreimal ausgeschrieben, dann kam die Mitteilung, dass ein anderer eingestellt worden sei: B. hätten Spezialkenntnisse eines Datenbankprogramms gefehlt, hieß es. Die waren aber gar nicht Teil des Stellenprofils.

Für B. war damit klar, dass er wegen seiner Behinderung diskriminiert wurde – zumal das Unternehmen auch sonst keinen Gehörlosen beschäftigte. Karl B. klagte und scheiterte in der ersten Instanz des Arbeitsgerichts: Es seien nicht ausreichend Indizien „bewiesen“ worden, die eine Benachteiligung vermuten ließen und so das Unternehmen verpflichteten nachzuweisen, dass es Karl B. nicht diskriminiert habe.

B.’s Anwältin drang mit ihrer auf die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts gestützten Forderung, dass die Anforderungen an diesen „Beweis der Indizien“ nicht überspannt werden dürfte, nicht durch: Ein typisches Problem in Verfahren, die nach dem neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geführt werden. Will sagen: Eine Diskriminierung nachzuweisen ist extrem schwer. Vor allem, wenn es darum geht, wer in einem Bewerbungsgespräch was gesagt hat und über welche Qualifikationen gesprochen wurde, lässt sich eine Benachteiligung kaum nachweisen: Während die Personalabteilungen der Unternehmen mittlerweile professionell dahingehend geschult werden, wie sie die gewünschten Bewerber aussuchen können ohne sich juristisch angreifbar zu machen, sind die Jobsuchenden selbst oft hilflos. Denn sie wissen nicht, wie sie kritische Vorfälle dokumentieren können.

Während vor Einführung des AGG vor allem von dessen Gegnern vor einer Klagewelle gewarnt wurde, stellt sich nach fast anderthalb Jahren Praxis heraus, dass es im Arbeitsleben ehe leerzulaufen droht. Eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage von Anwaltsverein und „Personalmagazin“, an der sich 2.000 Fachanwälte für Arbeitsrecht und knapp 1.100 Unternehmen beteiligten, ergab, dass bloß in 61 Betrieben überhaupt einmal das AGG Gegenstand einer betriebsinternen oder arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung war. Anwälte und Betriebe zusammen kamen auf elf gerichtlich ausgetragene AGG-Verfahren, von denen sechs mit Entschädigungszahlungen endeten.

Auch wenn diese Zahlen nicht repräsentativ sind, deuten sie einen Trend an: Mit diesem AGG alleine wird die Gleichbehandlung in Deutschland nicht vorangebracht. OLIVER TOLMEIN

Der Autor ist Rechtsanwalt in Hamburg