Integration selbst gemacht

200 junge Migranten diskutieren in einem Jugendparlament über bessere Integrationspolitik. Sie fordern etwa eine Migrantenquote in Unternehmen

BERLIN taz ■ Wie würden junge Migranten entscheiden, wenn sie ihre eigene Integrationspolitik machen könnten? Die, über deren Zukunft die Politik diskutiert, haben sich am Samstag in der Hauptstadt getroffen.

Passenderweise im Berliner Abgeordnetenhaus tagte ein Jugendparlament – 200 junge Migranten aus Spanien, Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland berieten über Integration. Es ging um die Themen Bildung und Arbeitsmarkt, um Diskriminierung und kulturelle Vielfalt. Das Jugendparlament setzt den Schlusspunkt unter die Arbeit der EU-finanzierten Dialogplattform „future“, in der Experten seit 2006 das Thema Integration untersuchen. In der Diskussionsrunde zur Bildung sitzen 50 junge Menschen zwischen 17 und 27 Jahren. „In Deutschland kommt Migration im Lehrplan gar nicht vor“, kritisiert eine türkische Lehramtsstudentin. „Auch die Lehrer lernen nichts über die Hintergründe türkischer Einwanderung.“ Spracherwerb ist die Basis, da sind sich alle einig. Nur, wer soll dafür zuständig sein? Cigden Korkmaz aus Hannover ist das beste Beispiel dafür, dass türkische Schulen in Deutschland, wie sie Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorschlägt, gar nicht nötig wären: Die 20-jährige Studentin der Erziehungswissenschaften hatte auf dem Gymnasium 11 Jahre Türkischunterricht als zweite Fremdsprache. „Das war extrem bereichernd“, sagt sie. „Aber das Land Niedersachsen hat das leider abgeschafft.“

Dass Schulunterricht nicht nur für Migranten besser werden muss, darin sind sich alle einig. Trotzdem: „Man kann nicht alles auf die Schule schieben“, ist sich Korkmaz sicher. Aber wo muss die außerschulische Förderung ansetzen – bei den Jugendlichen oder bei den Eltern? Eine Türkin aus Berlin sagt: „Eltern fördern ist Quatsch. Man muss Migranten fördern, bevor sie Eltern werden. Wenn eine Frau nicht allein zum Arzt gehen kann, wie soll sie dann Kinder erziehen?“

Bei der Diskussion fällt auf, dass die deutschen Türken sie dominieren, selbstbewusst bringen sie in fließendem Englisch ihre Meinung vor – im Gegensatz zu den Gästen aus den anderen Ländern, die zum großen Teil über Sozialprojekte nach Berlin geschickt worden sind. Das fällt den Debattierenden selbst auf: „Das Ding ist doch: Wie kommt man mit Fördermaßnahmen an diejenigen ran, die sie wirklich brauchen? Wir sind ja alle welche, die es geschafft haben“, stellt der 26-jährige Bankkaufmann Bertan Isbiliroglu fest.

Das Jugendparlament fordert zum Beispiel eine Quote für Migranten entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft, etwa in Firmen oder Institutionen – diese und andere Wünsche werden demnächst der EU-Kommission vorgelegt. DUNJA BATARILO