Liechtenstein soll Bankgeheimnis opfern

Beim Berlinbesuch von Liechtensteins Regierungschef Hasler verlangt die Bundesregierung, dass sich der Zwergstaat an einer wirksamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung beteiligt. SPD-Chef Beck wirft Alpenstaat „modernes Raubrittertum“ vor

VON HANNES KOCH

Die Bundesregierung erwartet, dass Liechtenstein die Steuerhinterziehung wirksamer bekämpft als bisher. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Besuches von Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler am Mittwoch in Berlin. Besonders drängte die Kanzlerin auf eine Vereinbarung über automatische Kontrollmitteilungen, die Finanzinstitute des Fürstentums an deutsche Finanzämter schicken sollen. Damit würden Vermögen und Kapitalgewinne deutscher Staatsbürger in Liechtenstein teilweise offengelegt und das dortige Bankgeheimnis abgeschwächt.

Der Besuch von Regierungschef Hasler bei Merkel war lange geplant, erhielt durch die deutschen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung aber eine besondere Bedeutung. Als ersten von rund 1.000 Verdächtigen hatten Staatsanwälte am Donnerstag vergangener Woche den damaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel verhört. Zumwinkel wird vorgeworfen, er habe den deutschen Finanzämtern eine Million Euro Steuern vorenthalten, indem er sein Vermögen bei einer Liechtensteiner Stiftung einzahlte. Diese Finanzinstitute des Zwergstaates veröffentlichen bisher keine Informationen über die Besitzer der Konten, die Vermögen und Gewinne.

Mit diesem Zustand wollen sich weder die Kanzlerin noch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der an den Gesprächen teilnahm, zufriedengeben. Liechtenstein möge doch bitte alsbald ein Abkommen zur Betrugsbekämpfung abschließen, die 3. EU-Geldwäsche-Richtlinie übernehmen und diverse Vereinbarungen der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) unterschreiben. „Ich fände es nicht gut, wenn Liechtenstein animieren würde“, Rechtsverletzung zu begehen, sagte Merkel im Beisein von Hasler. Das Stiftungsrecht im Fürstentum müsse so überarbeitet werden, dass die Stifter, Klaus Zumwinkel beispielsweise, erkennbar seien und nicht anonym handeln könnten.

Hasler sagte die geforderte Renovierung seines Rechtssystems zu. Auch Kontrollmitteilungen an deutsche Finanzämter hält er für möglich, wobei er keine Zusagen machen wollte. Liechtensteins Justizminister Klaus Tschütscher wies allerdings daraufhin, dass sein Land die umstrittenen Stiftungen auch künftig aufrechterhalten wolle.

Abseits des diplomatischen Parketts verlief die Auseinandersetzung schärfer. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte der taz, die Praktiken in Liechtenstein erinnerten ihn an einen „Schurkenstaat“ (siehe Interview). Als „moderne Form des Raubrittertums“ bezeichnete SPD-Chef Kurt Beck die Stiftungspolitik im alpinen Zwergstaat. Solche Äußerungen dienen den Sozialdemokraten vor der Bürgerschaftswahl am Sonntag in Hamburg auch dazu, ihr Ergebnis zu verbessern. Auf null Verständnis traf die harte Kritik bei Liechtensteiner Politikern. „Diese teutonische Ausdrucksweise kommt bei uns nicht gut an“, erwiderte Justizminister Tschütscher.

Zur Vorbereitung seines Treffens mit Hasler hatte sich Steinbrück von seinen Mitarbeitern ein Argumentationspapier schreiben lassen. Darin heißt es, „Liechtenstein bietet als Finanzplatz die typischen Rahmenbedingungen, die es nichtansässigen Personen ermöglichen, Steuern in ihrem Heimatland ohne besonderes Risiko zu hinterziehen.“ In den Alpen zwischen Österreich und der Schweiz residierten etwa 75.000 Stiftungen, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten. Die OECD führe Liechtenstein auf der Liste der „unkooperativen Gebiete“, heißt es in dem Papier des Finanzministeriums. In der Bekämpfung von Steuerhinterziehung habe das Land „bislang nur das absolute Minimum geleistet, um international nicht als Paria dazustehen“, so ein Mitarbeiter des Ministeriums.

Bilaterale Sanktionen, wie sie die globalisierungskritische Organisation Attac am Mittwoch in Berlin forderte, erwägen Steinbrücks Mitarbeiter gleichwohl nicht. Die einzigen Handlungsmöglichkeiten sehen sie im internationalen Rahmen der OECD: „Zu denken ist beispielsweise an die Erschwerung des Geschäftsverkehrs – Einführung von Quellensteuern auf Zahlungen in Steueroasen.“ Die Umsetzung derartiger Maßnahmen kann freilich Jahre dauern.