US Navy übt sich in Star Wars

Ein Zerstörer der US-Marine zerschießt mit einer Rakete einen Satelliten. Zum Schutz der Bevölkerung, sagt das Pentagon, zum Test von Waffen, argwöhnen Kritiker

BERLIN taz ■ Die US-Marine hat in der Nacht den defekten Spionagesatelliten „USA 193“ in 210 Kilometer Höhe über dem Pazifik abgeschossen. Nach offiziellen Angaben des Militärs sei dies nötig gewesen, um einem unkontrollierten Aufprall auf die Erde vorzubeugen. Eine SM-3-Rakete wurde vom Zerstörer „USS Lake Erie“ westlich von Hawai abgefeuert. Für den Abschuss des mit 27.000 Stundenkilometern die Erde umkreisenden Satelliten hatte es lediglich ein zehnsekündiges Zeitfenster gegeben.

Die Rakete war vom Typ mit dem feindliche Interkontinentalraketen abgeschossen werden können. Die Mission hatte außerdem warten müssen, bis die Raumfähre „Atlantik“ sicher zur Erde zurückgekehrt war. Denn bei der Zerstörung des Satelliten entstehen eine Menge Trümmer, die erst nach einiger Zeit in die Erdatmosphäre eintreten, wo sie verglühen. Ein Teil wird vermutlich gar eine ganze Weile oben bleiben und stellt dort eine Gefahr für alle anderen Raumfahrtprojekte dar.

Während man bei den wenigen veröffentlichten technischen Details der Mission wohl halbwegs den Angaben der US-Militärs vertrauen kann, darf darüber gestritten werden, warum die USA den Satelliten überhaupt zerschossen haben. Offizieller Grund sind 450 Kilogramm giftigen Treibstoffs dieses Satellitentyps. Kritiker behaupten, man habe geheime Spionagetechnik schützen wollen, Russland und China behaupten, die USA wollten nur ihr Star-Wars-Arsenal testen.

Bei dem giftigen Treibstoff an Bord des Spionagesatelliten handelte es sich um Hydrazin (chemisch N2H4), eine giftige und im Tierversuch krebserregende Substanz, die über die Haut aufgenommen wird. Laut Pentagon sollten Menschen vor diesem Stoff geschützt werden. Durch den Abschuss wurde der Tank getroffen, und das Hydrazin ist entwichen. Im Weltraum gefriert es zu kleinen Klumpen, die beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen – und sich fein über die gesamte Erde verteilen, was unproblematisch ist.

Wäre der Satellit als Ganzes in die Atmosphäre eingetreten, hätten große Teile von ihm noch den Erdboden erreicht – und womöglich auch der komplette Tank. Der wäre dann zerschellt, und das Hydrazin hätte geballt einen Ort vergiftet. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Trümmerteile, desto eher verglühen sie durch die Reibungshitze beim Eintritt in die Atmosphäre und können nicht mehr den Boden erreichen. Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass schon die Hälfte der Trümmer in den 15 Stunden nach dem Abschuss herunterkommen werden. Sie sind dann als Sternschnuppen zu sehen.

China und Russland freilich argwöhnen, dass die USA nur ihre Technologie zum Abschuss von Satelliten testen wollte. Sie haben guten Grund dazu: Schließlich schossen die Chinesen im vergangenen Jahr selbst einen Satelliten im All von der Erde aus ab – und lenkten international den Blick auf die Militarisierung des Weltalls. Die USA steuern weite Bereiche ihrer militärischen Operationen im Irak oder in Afghanistan mit Hilfe von Satellitentechnik. Mit dem Abschuss demonstrierten die Chinesen, dass die USA keinen Anlass haben, sich auf ihre technische Überlegenheit im All zu verlassen. Ganz nebenbei hinterließ der chinesische Abschuss jede Menge Trümmer in der Erdumlaufbahn, die da noch 20 Jahre und länger kreisen und zivile Satelliten gefährden werden.

MATTHIAS URBACH (MIT AP)