die taz vor zehn jahren über militär und politik in der türkei
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Nicht Wahlen bestimmen in der Türkei über die Gangart der Politik, sondern Uniformierte, die eigentlich die Landesgrenzen bei einem Angriff von außen schützen sollten. Doch die Herren wachen vor allem über die Grenzen der Politik. Welche Partei gehört verboten? Welcher Politiker muß von Wahlen ausgeschlossen werden? Welche Zeitung gehört beschlagnahmt? Welche Verein ist kriminell? Die Kontrolle der Politik reicht weit in die Privatsphäre. Welche Kleidung darf ein türkischer Staatsangehöriger tragen, welche nicht? Nicht als Bürger wird der Türke behandelt, sondern als Untertan.

Dieses Regime der selbsternannten Republikwächter war indes in seinen Bemühungen nicht wirklich erfolgreich, Parteien, die das Ergebnis sozialer und gesellschaftlicher Bewegung sind, auf ewig zu verbannen. Denn politische Parteien sind organische Gebilde, die nicht so einfach mit einem chirurgischen Eingriff aus der Gesellschaft herausoperiert werden können. Nach der Hinrichtung von Menderes erzielte die Nachfolgepartei bei den Wahlen die meisten Stimmen. Der 1980 von den Militärs gestürzte Süleyman Demirel ist heute Staatspräsident. Doch die Operationen zeigen Folgen. Politische Bewegungen werden nach Parteienverboten zwar nicht ausgemerzt, doch geschwächt und gespalten. Eben darauf wird jetzt im Fall der islamistischen Wohlfahrtspartei spekuliert.

Ömer Erzeren in der taz vom 24. 2. 1998