Ärztin wegen Patiententötung vor Gericht

Sterbebegleitung oder aktive Sterbehilfe – das Landgericht Hannover verhandelt gegen eine 58-jährige Ärztin, die acht Patienten hoch dosierte Medikamentencocktails gegeben hatte. Patienten und Kollegen demonstrieren für Freispruch

Wie polarisiert die Debatte um aktive Sterbehilfe ist, zeigt derzeit ein Prozess vor dem Landgericht Hannover. Dort haben gestern mehrere Dutzend Patienten und Kollegen für den Freispruch einer Ärztin demonstriert, obwohl sie acht Menschen getötet haben soll. Die 58-Jährige soll den Krebskranken erhöhte Dosen eines Medikamentencocktails aus Morphin und Valium gegeben haben. Tödliche Schmerztherapie oder vorsätzliche Tötung – so lautet die zentrale Frage des Prozesses. Für die Unterstützer der 58-Jährigen aber stellt sich diese Frage nicht. „Sie war immer sehr hilfsbereit. Sie darf nicht verurteilt werden“, sagte eine ehemalige Patientin vor dem Saal.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie hat die Krebsärztin wegen Totschlags angeklagt. Zwischen Ende 2001 und Mitte 2003 soll sie in einer Klinik in Langenhagen bei Hannover acht Patienten mit unangemessen hohen Dosen Morphium getötet haben. Ihr sei bewusst gewesen, dass die Schmerzbehandlung tödlich verlaufen werde, sagte Oberstaatsanwältin Regina Dietzel-Gropp zum Prozessauftakt.

Die Angeklagte Mechthild Bach, die seit 1987 Belegbetten in der Klinik hatte, ließ über ihre Anwälte eine Erklärung verlesen. Darin wies sie den Vorwurf zurück, sie habe die Patienten willentlich getötet. Über die Vorwürfe sei sie tief erschüttert, so ihr Verteidiger Albrecht Wegener. „Bei allem, was sie veranlasste oder unterließ, war sie der festen Überzeugung, dass ihr Handeln von der Zustimmung und dem Einverständnis der Patienten getragen sei.“

Rein zufällig sind die Ankläger auf die Ärztin gestoßen. Krankenkassen-Kontrolleure ermittelten im Herbst 2003 gegen einen ihrer Kollegen wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges. Dabei stießen sie auf ungewöhnlich hohe Verschreibungen von Morphium und Valium durch die Ärztin Mechthild Bach. Die Krankenkassen erstatteten Anzeige, die Staatsanwaltschaft ordnete die Exhumierung mehrerer verstorbener Patienten von Bach an. Ein Gutachter befand: Die von der Ärztin verabreichten Medikamentencocktails waren dem Krankheitsbild überhaupt nicht angemessen. Daran seien auch Patienten gestorben, die nicht lebensgefährlich erkrankt gewesen seien. Die Ärztin kam in Untersuchungshaft, nach drei Wochen wieder in Freiheit.

Das Gericht muss in diesem Prozess die Grenze zwischen erlaubter Sterbebegleitung und nicht erlaubter aktiver Sterbehilfe ausloten. Entscheidend wird zudem die Frage sein, ob die Ärztin mit ihren Patienten über die tödliche Wirkung der Medikamentendosis sprach oder eigenmächtig handelte.

In einem solchen Umfang war in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch keine Ärztin dem Vorwurf der aktiven Serientötung ausgesetzt. Allerdings hat es mehrere Prozesse gegen Pfleger gegeben, die alte und kranke Patienten getötet haben sollen. Im bislang größten Verfahren hatte das Landgericht Kempten im November 2006 einen Krankenpfleger zu lebenslanger Haft verurteilt. Er soll 28 hochbetagte und schwerkranke Patienten im Krankenhaus von Sonthofen mit einem Medikamentencocktail zu Tode gespritzt haben. In diesem Fall ist das Gericht davon ausgegangen, dass keiner der Patienten von der tödlichen Wirkung der Medikamente wusste.

Die Deutsche Hospizstiftung hatte als Konsequenz aus dem Sonthofener Fall bundesweit einheitliche amtsärztliche Leichenschauen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern verlangt. „Gerade dort, wo Sterben zum Alltag gehört, darf es Tätern nicht leicht gemacht werden.“ Auch gestern meldete sich die Hospizstiftung zu Wort. Sie erhofft sich von dem Prozess Klarheit in Bezug auf den Umgang mit Opiaten bei schwerkranken und sterbenden Patienten. ELKE SPANNER