Den Mob randalieren gelassen

In Güstrow stehen sechs Männer wegen gewalttätiger Ausschreitungen vor Gericht. Dass die Attacke auf einen Imbiss ausländerfeindlich motiviert war, verneint der Polizeichef. Seinen Leuten ist wiederholt Versagen vorgeworfen worden

Vor Gericht sagen die Beschuldigten wenig. Schweren Landfriedensbruch wirft die Staatsanwaltschaft den sechs Angeklagten im Alter von 17 bis 24 Jahren vor, vier von ihnen zudem Körperverletzung. Am heutigen Montag sollen vor dem Amtsgericht Güstrow die Urteile ergehen. Der politische Hintergrund der Taten, sagt indes Kathrin Oxen, die Pastorin der Reformierten Kirche in Bützow, „verschwand im Verlauf der Ermittlungen“.

Vor gut einem halben Jahr war es in der mecklenburgischen Kleinstadt zu Krawallen gekommen. In der Nacht zum 25. August, während der „Gänsemarkttage“, begann kurz nach 3 Uhr morgens eine rund 50-köpfige alkoholisierte Menge, Stände umzustürzen und Sonnenschirme anzuzünden. In der Langen Straße drang der Mob in den Imbiss der Familie Mahmood ein. Die Inneneinrichtung wurde zerstört und die nachglühende Kohle vom Grill über den Boden verteilt. „Scheiß Türke“, wurde gerufen, „wir kommen hoch und machen dich fertig!“ In der Wohnung über dem Geschäft harrte die Familie mit ihrer damals vierjährigen Tochter aus. „Wir hatten zum ersten Mal Angst um unser Leben“, sagt Saqid Mahmood. Dann suchten die Angreifer sich ein neues Opfer: einen Marktpavillon und seinen türkischen Betreiber.

Vor Gericht ist wiederholt vom Versagen der Polizei die Rede: Schon um 2.30 Uhr will der Angestellte einer Sicherheitsfirma dort angerufen haben. Einem Kollegen zufolge habe ein Beamter deswegen sogar mit einer „Anzeige wegen Belästigung“ gedroht. Auch mehrere Zeugen berichten, bei der Polizei mehrfach „weggedrückt“ worden zu sein. Gegen 4.00 Uhr kamen dann doch zwei Beamte, um sich gleich wieder zurückzuziehen, als Flaschen flogen. Verstärkung traf nach einer Stunde ein.

Zur Anklage kam es überhaupt nur, weil Sapid Mahmood später Handy-Aufnahmen von der Attacke zugespielt wurden. Einen „ausländerfeindlichen Hintergrund“ will Güstrows Polizeichef Hans-Detlef Henkel dabei nicht ausmachen. Staatsanwältin Maureen Wiechmann folgt dieser Linie. Im Ort selbst geht man dagegen sehr wohl von Verbindungen zur rechtsextremen Szene aus. So nennt auch Bürgermeister Lothar Stroppe die Geschehnisse jener Nacht „eindeutig ausländerfeindlich“ motiviert. ANDREAS SPEIT