BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER
: Es war schön mit dir, Bruno, aber ...

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Im Ana e Bruno in Berlin-Charlottenburg bekommt die Dame immer noch eine Karte ohne Preisangaben

An einem Samstagabend im Restaurant Ana e Bruno in Berlin-Charlottenburg. Die Frau am Nebentisch hat Geburtstag, der Mann ihr gegenüber ein Nokiahandy mit Push-E-Mail-Technologie. Sie warten auf Freunde, und während sie zur Tür des Lokals schaut, das ohne Zweifel als Edelitaliener bezeichnet werden kann, schaut er auf das Display.

Vielleicht haben die Freunde ja angerufen und man hat den Anruf nicht gesehen, das Ding steht auf lautlos, so ein Laden ist nämlich das Ana e Bruno. Man weiß, dass man nicht getadelt wird, wenn das Handy klingelt. Aber die impliziten Sanktionen sind ja immer noch viel schlimmer, weil obskurer.

Ana e Bruno wird landauf, landab für seine feine Küche und den perfekten Service gelobt. Auf den ersten Blick aber macht das Restaurant eher einen veralteten Eindruck. Ein Abitur-bestanden- oder Vertrag-unterschrieben-Lokal für die Westberliner Oberschicht der 80er. Kurz gesagt: Es sieht aus wie diese Restaurants in Vorabendserien, in denen sich Freund und Feind trifft. Die abgezogenen Dielen haben vielleicht noch Charme, aber die Tische und Stühle sind gehobenes Tennisclubmobiliar. Das Licht ist zu hell, die blauen Jalousien sind schlichtweg hässlich. Das Personal im Ana e Bruno, Männlein wie Weiblein, trägt dunkelblaue Anzüge und gelbe Krawatten und sieht dadurch aus wie eine geerdete Lufthansa-Crew. Aus dem High-end-CD-Wechsler brüllt leise der Tiger aus Wales.

Den anderen Gästen fallen diese hässlichen Kleinigkeiten wahrscheinlich gar nicht auf, weil sie nicht so kleingeistig beobachtend sind, sondern hoch im kulinarischen Himmel schweben. Ana e Bruno ist nämlich kein Laden, zu dem man mal geht, um aus der Bude rauszukommen.

Frauen werden übrigens über das Preisniveau im Dunkeln gelassen. Und weil nirgendwo eine Ziffer steht, entscheidet sich die Dame flott, bevor der Mann noch irgendwie regulierend eingreifen kann, für das Sechs-Gänge-Menü. Das wird am Nebentisch, die Freunde sind inzwischen eingetroffen, auch genommen. Hummer, Gänseleber, Gnocchi mit Parmesanzitronensauce, Wildentenbrust, Käseplatte, Dessert. Dazu einen Rotwein, der ständig neu eingeschenkt wird. Jeder Gang wird von der Kellnerin an den Tisch gebracht, die sich daneben stellt, den hübschen Teller vorstellt wie ein Gemälde in der Galerie.

Wichtig ist dabei die exakte Beschreibung des jeweiligen Schaums. So ist das nämlich heute. Es reicht zur Differenzierung nicht mehr, Hummer zu essen. Seit dieser spanische Molekularkoch berühmt wurde, muss an allem Schaum sein, und alles andere sollte „an“ oder „auf“ sein. „Mit“ gibt es höchstens noch in der Currywurstbude.

Das Essen bei Ana e Bruno lässt sich leicht beschreiben: perfekt. Einzig an den Gnocchi könnte man eine überhöhte Flutschigkeit kritisieren. Es wäre ein viel schönerer Abend geworden, wenn das Handy am Nebentisch hin und wieder geklingelt hätte. Vielleicht wäre so wenigstens der Schwall der penetranten Unterhaltung abgeflacht, die sich zwischen Elternabend und Pädagogikschein des Geburtstagskindes einpendelte.

Fazit: Es war schön mit dir, Bruno, alles klasse. Aber eine Zukunft sehe ich für uns beide nicht.

RESTAURANT ANA E BRUNO, Sophie-Charlotten-Str. 101, 14059 Berlin, Tel. (0 30) 3 25 71 10, Di.–Sa. 18.30–22.30 Uhr, www.ana-e-bruno.de, Menüs ab 58 €, Pinèro 95 Cadel Bosco, Lombardei, I.G.T., 105 €, am Ende des Abends „einen Grappa aufs Haus“