„Jetzt ist eine andere Politik möglich“

Ulrich Wilken, Linkspartei-Chef in Hessen, hält eine Tolerierung von Rot-Grün für machbar – aber erst später

ULRICH WILKEN, 49, ist freiberuflicher Arbeitswissenschaftler und Landesvorsitzender der hessischen Linken.

taz: Herr Wilken, Andrea Ypsilanti will eine rot-grüne Minderheitsregierung wagen. Ist das richtig?

Ulrich Wilken: Ja, das begrüßen wir sehr. Jetzt ist ein Politikwechsel in Hessen möglich.

Ist denn sicher, dass die sechs Abgeordneten der Linksfraktion Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen werden?

Ja.

Ohne Vorbedingungen?

Ja. Danach werden wir natürlich miteinander reden. Etwa, wie Hessen in den Tarifvertrag der Länder zurückkehrt, wie wir einen Mindestlohn durchsetzen, wie wir das Schulsystem reformieren, G 8, das verkürzte Abitur zurücknehmen und die Studiengebühren abschaffen. Dafür wird es hoffentlich eine Mehrheit im Landtag geben.

Anspruchsvolle Ziele. Warum bieten Sie denn dafür Rot-Grün keine engere Zusammenarbeit an?

Wir werden Ypsilanti und auch ihr Kabinett wählen. Denn das sind die Voraussetzungen für diesen Politikwechsel. Wir wollen aber nicht in die Regierung. Und auch keine Tolerierung.

Aber wenn dieses Modell klappt, ist es doch de facto eine Tolerierung. Warum dann keinen verbindlichen Tolerierungsvertrag?

Wir sind uns unserer Verantwortung sehr wohl bewusst. Aber eine formale Tolerierung wäre völlig verfrüht. Wir müssen erst den inhaltlichen Wechsel einleiten. Allerdings wird es beim Haushalt 2009 eine konkrete Zusammenarbeit mit Rot-Grün geben müssen. Dann wird die Linkspartei in Hessen über die Zusammenarbeit mit Rot-Grün diskutieren. Und dann werden wir einen Mitgliederentscheid machen, wie es weitergehen soll. Aber das ist der übernächste Schritt.

Glauben Sie, dass in der SPD alle hinter Ypsilanti stehen?

Das weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass Ypsilanti das weiß.

Sind Sie denn sicher, dass ihre eigenwillige Basis den Kurs – Unterstützung für Rot-Grün – wirklich mitmacht?

Ja, die Unterstützung ist unstrittig. Das haben wir auch im Wahlkampf versprochen. Für eine später mögliche, engere Zusammenarbeit brauchen wir einen Mitgliederentscheid.

Und da es wird keinen zweiten Fall Pit Metz geben?

Nein, die Kommunikation in der Partei ist derzeit viel besser.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE