heute in bremen
: „Motive wie der lüsterne Greis“

Uni-Veranstaltungsreihe „Was ist schon Alter?“ endet mit einem kunsthistorischen Vortrag

taz: Herr Dingfelder, warum sind alte Menschen als Motiv für Künstler interessant?

Hartwig Dingfelder, Kunsthalle Bremen: Aus vielen Gründen. Interessant sind nicht nur die alten Menschen als Personen, sondern eher die Zeichen des Alters selbst. Darstellungen alter Menschen dienen und dienten in der Kunst oft als Sinnbilder.

Wofür?

Für Charaktereigenschaften zum Beispiel. Ein Mann mit weißem Bart und Falten, der vor Büchern sitzt, kann Weisheit ausdrücken. Ein junger Mann im gleichen Umfeld würde eher als Schüler oder Student gesehen. Oft ist auch das Alter als Zustand der Gebrechlichkeit und Krankheit selbst ein Thema. Ein Beispiel ist da Dürers bekanntes Bildnis seiner Mutter. Manche zeitgenössischen Künstler wählen zum Beispiel Motive aus der Altenpflege.

Ist der Blick auf alte Menschen heute härter als früher?

Bestimmt nicht. Heute spielt womöglich sogar political correctness eine größere Rolle.

Aber es gibt Unterschiede?

Jede Epoche hatte ihren besonderen Blick auf alte Menschen. In der Renaissance war zum Beispiel das negativ betonte Motiv des lüsternen Greises mit der jungen Frau beliebt, in der Barockzeit wurde häufig der gelehrte und belesene Greis oder die fromme, bibelkundige Greisin dargestellt.

Und heute?

In der modernen Kunst reicht die Bandbreite von drastischen Darstellungen Todkranker bis zu den Werken Martin Parrs, der den Gegensatz von jung und alt mit Humor in Szene setzt. Es gibt aber auch Fotos wie das von Frank Ziegler, das eine alte, totschick gekleidete Dame zeigt, die für die moderne Lebensfreude im Alter steht. INTERVIEW: ISABELL BÜRGER

Vortrag: „Von Dürer bis Parr: Bilder vom Altern“. 18.00 Uhr, Haus der Wissenschaft