die taz vor 10 jahren mit anmerkungen zum internationalen frauentag
:

Lange bewegte sich in der Frauenbewegung gar nichts mehr. Jetzt kommt endlich wieder Wind auf – und zwar böiger. Der dreißigjährige Geschlechterkrieg ist nun auch noch um einen Generationskonflikt reicher.

Geduldig hegten und pflegten unsere Mütter unser weibliches Selbstbewußtsein. Prompt hadern wir jetzt nicht mehr nur mit den patriarchalen Herrschaftsgesten der Männer, sondern auch mit dem partiellen Selbstbewußtsein der Frauen zu tun. Wie lange, fragen wir ungeduldig, wollt ihr eigentlich noch so viel fordern und euch so wenig nehmen? Wie lange sollen wir noch üben, keine Frau zu unterbrechen, statt endlich allen das Wort abzuschneiden, die Unsinn daherreden? Wie lange wollen wir noch für die Quote quengeln, statt einfach „hier!“ zu rufen? Warum, Mama, dürfen wir immer nur gemeinsam stark sein?

Die Antwort ist einfach: weil sonst längst nicht alle mitkämen.

Ich kenne keine Frauenrunde, in der nicht das demokratische Prinzip des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ gilt. Jede Schwester hat das gleiche Recht, alles zu sagen, zu bestimmen, zu entscheiden und zu verhindern. Und wenn es hundert Jahre dauert: Wir kämpfen im Konsens. Denn Frauen macht Einigkeit stark. Männer macht Macht stark. Deshalb stehen Männer auf Leistung und handeln nach dem Prinzip des größten gemeinsamen Vielfachen.

Wir dürfen nur gemeinsam stark sein, weil wir so die Schwäche einzelner vertuschen können. Weil es sonst offensichtlich wäre, daß doch nicht immer nur das Patriarchat schuld ist, wenn eine Frau nicht vorankommt. Manchmal sind wir lieber schwach und längst nicht so emanzipiert wie unsere Träume.

Es gibt auch doofe Frauen. Aber das darf keine laut sagen. Das wäre das Gegenteil von Solidarität, Ermunterung, Schwesterlichkeit. Aber der Anfang einer Versöhnung. Nicht zwischen den Geschlechtern. Aber zwischen den Forderungen der Mütter und fordernden Töchtern.

Klaudia Brunst, 7. 3. 1998