Einen Raum für sich. Ohne Mann

Seit fast 20 Jahren führen Karin Wilsdorf und Linda Schlüter in Hamburgs Zentrum das Café Endlich und das Hotel Hanseatin. Dort treffen sich Frauenrechtsgruppen, Geschäftsfrauen und Naturwissenschaftlerinnen. Nur eines gibt es nicht: Männer

von JESSICA RICCÒ

Um sich künstlerisch entfalten zu können, brauchten Frauen nach Virginia Woolf schon vor achtzig Jahren zwei Voraussetzungen: Genügend Geld, um sich selbst zu versorgen und ein eigenes Zimmer. Einen Ort, an dem eben nicht wie klassischerweise auch bei Hausfrauen letztendlich Papi bestimmte, wie viel Geld wofür ausgegeben wurde und an welchen Feiertagen bitte eine Torte gebacken wird.

Das Frauencafé Endlich im Zentrum Hamburgs, zwischen Laeiszhalle und Gänsemarkt, ist im Grunde genau dieser Ort. Es gibt dort einen kleinen Garten und hübsch marmorierende Latte Macchiatos und sehr einladende Torten und – keine Männer. Denn im Café Endlich und dem dazugehörigen Frauenhotel Hanseatin ist das andere Geschlecht nicht erwünscht, in aller Konsequenz.

Gegen alle Prognosen

Im Sommer wird das Café stolze 20 Jahre alt und trotzt damit kritischen Prognosen, so ein Ort der Abschottung sei doch gar nicht mehr nötig und überhaupt gelte es, Differenzen zwischen den Geschlechtern ganz nach postfeministischer Manier als Konstrukt zu sehen. Identitäten gebe es schließlich so zahlreiche wie Menschen, unabhängig davon, was sich unter der Jeans befindet.

Ein eigenes Zimmer und Geld. Letzteres fehlte am Ende dem anderen männerfreien Treffpunkt Hamburgs: Der Frauenkneipe Tochtergesellschaft in der Stresemannstraße. Dort lebte man das andere Extrem der Frauenbewegung: Linksalternativ und im Gegensatz zum sehr aufgeräumten und stilvollen Café Endlich in seiner Gestaltung eher dem Zufall überlassen. „Dort ging früher der andere Teil der Frauenszene hin“, erinnert sich Karin Wilsdorf, die sowohl das Café Endlich wie auch die Frauenkneipe 1988 gemeinsam mit Linda Schlüter gründete.

Wegen finanzieller Probleme musste die Tochtergesellschaft im vergangenen Jahr nach 30-jährigem Bestehen schließen. Diese Frauen, denen das Café Endlich gegen Ende der Achtziger Jahre viel zu kapitalistisch mit seinen damals noch schneeweißen Vorhängen und dem alles andere als vom Flohmarkt stammenden Interieur schien, gibt es heute weniger.

„Eine kleine, heile Welt“

Dafür treffen sich im Café Endlich regelmäßig der Stammtisch der in Naturwissenschaften und Technik arbeitenden Frauen oder die Lokalgruppe von „Terre des Femmes“. „Wir haben hier unsere eigene heile, kleine Welt“, so beschreibt Inhaberin Wilsdorf das Projekt. Und sagt es ganz deutlich: „Es ist schließlich angenehm, auch mal unter sich zu sein.“ Neben den festen Gruppen setzt sich die Klientel des Café Endlich größtenteils aus Geschäftsfrauen zusammen.

Geschäftsfrauen aus Hamburg oder auf der Durchreise, die sich zu Kaffee und Kuchen mit Kolleginnen im Café treffen können und dort mal nicht nach den meist männlichen Kommunikationsregeln schnacken. Dass diese Unterschiede in der Kommunikation existieren, lässt sich bisher noch nicht mit Genderkonstrukttheorien wegdiskutieren. Und wenn männerfreie Treffen nun mal beruflichen Erfolg versprechen, gilt es, sich an diese Spielregeln zu halten. Nur unter sich zu netzwerken klingt zwar erstmal unfair. Andererseits ist freie Marktwirtschaft kein Ponyhof. Folgerichtig finden sich im Zeitschriftenständer des Cafés neben der Emma auch diverse Ausgaben des Wirtschaftsmagazins Brand Eins.

Nicht nur Geschäftliches

Dennoch ist das Café nicht nur ein Ort für Geschäftstreffen. Ursprünglich wollten Wilsdorf und Schlüter einen Ort finden, an dem Kulturveranstaltungen für Frauen stattfinden konnten. Das dauerhafte Anmieten von Räumen wurde jedoch lästig, da schien es einleuchtender doch selber diesen Raum zu stellen. Regelmäßig finden Lesungen im Café statt, im Hotel befinden sich in jedem Zimmer Romane großer Schriftstellerinnen.

Es ist sicher angenehm, die Möglichkeit zu haben, einen Abend mal alleine an einer Hotelbar seine Drinks zu kippen, ohne vom nächstbesten Messegast angebaggert zu werden. Dennoch ist es eigenartig, den Blick durch das Café schweifen zu lassen und keinen einzigen Mann zu entdecken. Und mehr noch: Nur Frauen, die sich bewusst für diese Umgebung entschieden haben.

Auch in anderen Städten gibt es solche Cafés, in München, in Köln, in Berlin und seit neuestem sogar in der irakischen Stadt Halabdscha. Dort haben die Frauen neben Kaffee und Kuchen Zugang zu Bildungsangeboten – bisher kann in der Region nur jede zweite Frau Lesen und Schreiben. „Im Orient werden solche Orte für Frauen viel dringender benötigt“, bestätigt Karin Wilsdorf.

Trotz aller Restriktionen hat es ein Mann dennoch ins Frauencafé geschafft: Im Bücherregal thront Henning Mankells Wallander. Der alternde Kommissar, der ja nur für seine Arbeit lebt und an seiner Einsamkeit, seinem Alkoholismus und der Schlechtigkeit der Welt leidet – und 2002 von seiner Tochter Linda abgelöst wurde. Vielleicht der Beginn einer Annäherung.