Kantinen für Turboabiturienten

Die SPD hält die Schnellgymnasien nur für machbar, wenn sie Ganztagsschulen sind. CDU hört auf den Elternwillen

BERLIN taz ■ So wütend hat man Doris Ahnen (SPD) lange nicht gesehen. Die rheinland-pfälzische Schulministerin schob die Präsidentin der Kultusministerkonferenz vom Rednerpult. „Ohne das Ganztagsschulprogramm der alten Bundesregierung würden wir heute beim achtjährigen Gymnasium noch schlechter dastehen“, schimpfte Ahnen. „Wenn man 34 Stunden auf die Woche verteilt, dann ist das keine Halbtagsschule mehr.“

Ahnens Wutausbruch beim Jahresempfang der Kultusminister zeigt die Stimmung. Die SPD-Kultusminister sind auf die neue Präsidentin der KMK, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), schlecht zu sprechen. Die saarländische Kultusministerin betont stets, dass Ganztagsangebote für das auf acht Jahre verkürzte Gymnasium hilfreich seien. Aber sie will trotzdem keine neuen Ganztagsgymnasien schaffen. „Viele Eltern haben ihre Kinder am Nachmittag gerne zu Hause“, sagt sie.

Hinter den beiden Konzepten um das achtjährige Gymnasium steht ein alter Konflikt zwischen CDU und SPD. Im auf acht Jahre verkürzten Gymnasium verlängert sich der Unterricht automatisch in den Nachmittag hinein. Die SPDler wollen daher das Ganztagsschulprogramm verlängern. Die Union ist gespalten. Bundesbildungsminister Annette Schavan (CDU) will, wie sie der taz sagte, genau prüfen, wie das Programm umgesetzt wurde. „Da, wo die Ganztagsschule eingeführt wird, muss die Struktur stimmen.“ Die rot-grüne Regierung hatte 2002 den Schulen für den Bau von Mensen und Aufenthaltsräumen vier Milliarden Euro zugebilligt. Die Gelder reichen bis Ende 2009, dann ist Schluss.

Die Länderminister der Union wollen kein neues Programm. Aus rechtlichen Gründen sei das nach der Föderalismusreform ohnehin nicht mehr möglich.

Bildungsexperten wie Ernst Rösner vom Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung sagen: „Ein verkürztes Gymnasium kann nur ganztags funktionieren.“ 6,5 Milliarden Euro allein für neue Mensen und Freizeiträume würde das kosten. Ähnlich sieht das Dieter Dornbusch, Chef des Bundeselternrats. Er hätte es für das Sinnvollste gehalten, das Turbo-Abi nur an Ganztagsschulen einzuführen.

Die derzeitige Situation ist eine andere: Noch nicht mal ein Viertel der Gymnasien lehren im Ganztagsbetrieb. In vielen Gymnasien bekommen die Turboabiturienten überhaupt kein Mittagessen – trotz eines Acht-Stunden-Lerntages. WOS

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