Hamburg nimmt Kurs auf Schwarz-Grün

Nachdem Grüne und CDU Koalitionsverhandlungen zugestimmt haben, zeichnen sich erste Kompromisse für Hamburg ab: Die Grünen hoffen auf eine Alternative zum Kohlekraftwerk Moorburg, die Elbvertiefung werden sie aber nicht kippen können

AUS HAMBURG MARCO CARINI

Vielen der 400 anwesenden Grünen-Mitglieder bleibt der Mund offen stehen, als Anja Hajduk das Sondierungsgespräch mit der CDU referiert. Kurz darauf wird die Parteibasis Koalitionsverhandlungen mit der Union zustimmen. Konzentriert gibt die Landesvorsitzende Hajduk wieder, welche Zugeständnisse die Grün-Alternative Liste (GAL) in Hamburg der Union schon abringen konnte. Hajduks Aufzählung klingt wie ein Wunschkonzert grüner Forderungen.

Da soll „über eine vollständige Alternative“ zum geplanten Kohlegroßkraftwerk Moorburg verhandelt und die Grundschule auf sechs Jahre verlängert werden. Der umstrittene Jugendknast soll geschlossen, die Studiengebühren zumindest dann abgeschafft werden, wenn eine Alternative zur Hochschulfinanzierung gefunden wird.

Immer wieder brandet Applaus auf. Anja Hajduk referiert mit hanseatischem Understatement. Zugeständnisse der Union erwähnt sie oft nur in kleinen Nebensätzen. Am Ende steht fest: Nur gegen die ökologisch umstrittene Elbvertiefung und den Fortbestand der Gymnasien werden sich die Grünen nicht wehren können – doch das war den meisten Mitgliedern schon lange klar. „Es haben sich Fenster für harte Verhandlungen geöffnet“, schließt Hajduk ihre Rede.

Die Gegner der schwarz-grünen Zusammenarbeit sind ratlos. Sie merken schnell, dass sie heute auf verlorenem Posten stehen. Mit diesen Vorlagen lässt sich die These, mit den Schwarzen sei keine grüne Politik zu machen nicht durchhalten. „Schwarz-grüne Besoffenheit“ macht ein Kritiker der Koalitionsverhandlungen aus. Und niemand widerspricht.

Die Kritiker der Verhandlungen versuchen es damit, die Glaubwürdigkeit der bislang auf rot-grün gepolten GAL würde leiden, wenn sie nun mit ihrem einstigen Gegner fraternisiert. Die Kompromissbereitschaft der CDU löst Misstrauen aus. „Ich kann gar nicht glauben, was ich gerade gehört habe,“ gibt ein GAL-Mitglied zu Bedenken. Sieben Jahre habe Ole von Beust „nichts in diese Richtung bewegt“ – und nun diese plötzliche Kehrtwende?

Die Wendigkeit des Bürgermeisters, der einst mit den Rechtspopulisten der Schill-Partei koalierte und jetzt mit den Grünen regieren will, löst Kopfschütteln aus. Schill-Partei und FDP, die bisherigen Koalitionspartner, hat die Von-Beust-CDU bereits verschlissen und in die politische Bedeutungslosigkeit überführt. Da möchte man doch ungern der Dritte sein.

Doch die Bedenkenträger haben wenig Trümpfe im Ärmel. „Wir müssen schauen, was am Ende der Gespräche im Topf ist, und nicht schon vorher sagen, wir wollen gar nicht wissen, was da drin liegt“, bringt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Krista Sager die Stimmung auf den Punkt. Und Wilfried Maier, die graue Eminenz der Hamburger Grünen, schreibt allen Anwesenden, denen die Sondierungszugeständnisse noch immer nicht reichen, ins Stammbuch: „Es ist ein Kinderglaube, dass wir mit 10 Prozent Wahlstimmen 100 Prozent Programm durchsetzen können.“ Maier erinnert daran, „dass wir 1997 bei Rot-Grün viel weniger Zugeständnisse“ bekommen haben. Und mancher Veteran, der damals dabei war, nickt nur wissend mit dem Kopf.

Am Ende der Versammlung, nach drei Stunden eher unterkühlter Debatte, ist der Beschluss, mit der CDU ernsthafte Koalitionsverhandlungen zu führen, ein Selbstgänger. Gerade mal rund 50 der etwa 350 Anwesenden stimmen gegen die Gespräche – zu wenige, um ihre Zahl überhaupt auszuzählen und im Protokoll festzuhalten.