Der Menschenrechtssheriff der EU

Der Kampf gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus wird im Mittelpunkt von Morten Kjærums künftiger Arbeit stehen. Am 1. Juni tritt der Däne sein Amt als erster Chef der neuen EU-Grundrechteagentur in Wien an. Derzeit leitet er noch das Institut für Menschenrechte in Kopenhagen (IMR). Dort wettert er gerade darüber, wie der Internationale Frauentag begangen wurde.

Besonders störte ihn ein Wettbewerb der Tageszeitung Politiken, die jene Frau kürte, die „am meisten für Dänemark und am meisten für die Frauen tut“. Denn die linksliberale Politiken schaffte es, bei den zwei Dutzend Frauen, die sie zur Wahl stellte, nur solche mit ur-dänischem Hintergrund auszuwählen. Selbst angesichts des in Dänemark herrschenden ausländerpolitischen Klimas war das doch einigermaßen verwunderlich.

„Überall in der Gesellschaft ist die Rede von Integration und Vielfalt“, kritisiert Kjærums Institut. „Aber es gelingt einer der größten Zeitungen des Landes nicht, auch nur eine einzige Frau mit anderem ethnischen Hintergrund zu finden.“ Gedankenlos sei das, einseitig und „eigentlich skandalös“. Das IMR findet das typisch: Die Medien übersehen, dass es noch andere als die „große, weiße Mehrheit gibt“. Bei Politiken schämt man sich nun, akzeptiert die Kritik als „durchaus relevant“ und gesteht zerknirscht ein, dass diese einseitige Auswahl vielleicht „einige der besten Vorbilder“ ausgeschlossen habe.

Einen solch durchschlagenden Erfolg wird sich der 50-jährige Jurist in seinem neuen Amt nur wünschen können. Allerdings geht es für ihn in Wien zunächst darum, die neue Agentur aufzubauen. Auch darin hat Kjærum Erfahrung. Das dänische IMR hat er seit 1991 von einem kleinen Büro mit zehn MitarbeiterInnen zu einem international angesehenen Zentrum mit über 100 Beschäftigten entwickelt. Dessen kritische Berichte zur Diskriminierung von Minderheiten in Dänemark waren keine erbauliche Lektüre für die jeweiligen Regierungen. Dabei hat die ausländerfeindliche Dänische Volkspartei seit Jahren Kjærum persönlich zur Feindfigur erkoren, weil er angeblich Dänemark einer freien und unkontrollierten Einwanderung preisgeben wolle.

Um das Thema Menschenrechte kümmert sich Kjærum seit 23 Jahren. Über den dänischen Flüchtlingsrat gelangte er auf den IMR-Chefposten. Nimmt der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern seine bisherige Kritik von Kopenhagen mit nach Wien, können auch die KämpferInnen gegen die Überwachungsgesellschaft und schrumpfende Rechtssicherheit auf die Arbeit der neuen EU-Grundrechteagentur hoffen.

REINHARD WOLFF