„Wir sind nicht starr organisiert“

Ezhar Cezairli, säkulare Muslimin in der Islamkonferenz, über die Dominanz der konservativen Muslime und den Wunsch nach einem islamischen Ansprechpartner

EZHAR CEZAIRLI, 45, arbeitet als Zahnärztin in Frankfurt am Main und ist u. a. Vorsitzende des Türkisch-Deutschen Clubs.

taz: Frau Cezairli, der Journalist Walid Nakschbandi legt sein Mandat für die Islamkonferenz nieder – die konservativen islamischen Verbände seien zu dominant. Auch Sie vertreten die säkularen Muslime. Haben Sie schon an Rückzug gedacht?

Ezhar Cezairli: Ich habe mich auch schon geärgert, wenn der Koordinierungsrat der Muslime (KRM), zu dem sich die konservativen Verbände zusammengeschlossen haben, die Islamkonferenz benutzt, um sich zu profilieren. Dafür will ich mich nicht benutzen lassen. Aber ganz auszusteigen, finde ich falsch. Wir können nicht diese Verbände allein für die Muslime sprechen lassen.

Nakschbandi argumentiert, die unabhängigen, liberalen Muslime fänden kaum Gehör.

Ja, zeitweise hatte ich auch den Eindruck, dass der KRM mehr Gehör findet als wir. Ich glaube, der KRM wird eher als das Problem, mit dem man sich beschäftigen muss, angesehen.

Geht die deutsche Seite zu vorsichtig mit dem KRM um?

Manchmal fassen sie die wirklich mit Samthandschuhen an. Auch von dieser Seite müsste offener diskutiert werden. Da sagt niemand: Diese Position können wir nicht akzeptieren. Teilweise habe ich das Gefühl, dass wir säkularen Muslime das leisten sollen.

Macht aus Ihrer Sicht die Islamkonferenz noch Sinn?

Ja, weil sie die einmalige Chance ist, auf nationaler Ebene über alle Probleme zu reden und eine gemeinsame Grundlage für das Zusammenleben zu schaffen. Die Konferenz hat auch bereits Einiges bewirkt. In der Öffentlichkeit wird jetzt wahrgenommen, dass es in Deutschland ganz unterschiedliche Muslime gibt.

Am Donnerstag trifft sich das Plenum der Islamkonferenz zum dritten Mal. Was erwarten Sie von dem Treffen?

Die vier Arbeitsgruppen werden ihre Zwischenergebnisse vorstellen, und dabei wird es sicher noch Diskussionen geben. In meiner Arbeitsgruppe zum Beispiel, „Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens“, haben wir monatelang an einem Papier gearbeitet, das festhält, dass für alle Menschen – unabhängig von Religion und Herkunft – die deutsche Werte- und Rechtsordnung gelten muss. Auf das Grundgesetz konnten wir uns schnell einigen, aber die Festlegung auf die deutsche Werteordnung ist sehr umstritten.

Teilen Sie die Bedenken des KRM gegen den Begriff deutsche Werteordnung?

Anfangs hatte ich kein Problem damit, schließlich passen meine Werte gut hierher. Aber wenn man wirklich darüber nachdenkt, ist es ja völlig unklar, was diese deutsche Werteordnung genau ist. Jeder stellt sich etwas anderes darunter vor. Das ist so ähnlich wie die deutsche Leitkultur – und das löst bei manchen natürlich unangenehme Gedanken aus. Die Festlegung auf das Grundgesetz ist einfach genauer.

Braucht man dafür eine Islamkonferenz? Zum Grundgesetz haben sich die islamischen Verbände schon x-mal bekannt.

Der Fernsehproduzent Walid Nakschbandi tritt aus der Islamkonferenz aus. Dies teilte der gebürtige Afghane vor der dritten Sitzung des Gremiums am heutigen Donnerstag Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit, berichtet die Neue Ruhr/Rhein Zeitung. Er sehe keine Chance mehr, sich gegen die Vertreter der konservativen muslimischen Verbände zu behaupten. Die Islamkonferenz ist ein bislang auf zwei bis drei Jahre angelegter Dialog zwischen dem Staat und den Muslimen in Deutschland. Ihr gehören fünf Vertreter der muslimischen Verbände Ditib, Zentralrat der Muslime, Verband der islamischen Kulturzentren, Islamrat und der Alevitischen Gemeinde an. Dazu nehmen zehn nichtorganisierte Muslime teil. WOS

Unsere Diskussion muss jetzt konkreter werden. Wir müssen über Dinge wie das Selbstbestimmungsrecht, Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen oder koedukativen Schwimmunterricht sprechen. Da müssen die Verbandsvertreter sich endlich auf die Debatte einlassen.

Der deutsche Staat will einen Ansprechpartner, um etwa über Religionsunterricht zu verhandeln. Auch darum hat sich der KRM gegründet. Hilft hier die Islamkonferenz?

Den einen Ansprechpartner kann es nicht geben, dafür ist der Islam zu vielfältig. Wir haben eben nicht so eine starre Organisationsform und klare Hierarchie wie die Christen. Der KRM vertritt höchstens 15 oder 20 Prozent der Muslime. Er kann also nicht für alle sprechen. Deshalb muss es ein anders Gremium geben, vielleicht eine verkleinerte Islamkonferenz.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE