Steine auf dem Deich festkleben

Aluminiumwände und Bagger auf allen vieren: Im neuen Zentrum für Klimafolgen-Engineering und -Management in Wilhelmsburg arbeiten Spezialisten aus Wissenschaft und Praxis an Wegen, dem Klimawandel zu begegnen

Was das alles soll, wird spätestens dann klar, als sich Noch-Wissenschaftssenator Jörg Dräger gelbe Gummistiefel anzieht. Am Tag der Eröffnung des Zentrums für Klimafolgen-Engineering und -Management in Wilhelmsburg sitzt Dräger in einem Ding, das eine Mischung ist aus großer Badewanne und winzigem Wohnzimmer. Vor Dräger: ein Tisch. Dahinter: ein Regal, auf dem Tisch: ein Notebook, die Wände: tapeziert und mit Bildern behängt. Alles möglichst real, nur eben in einem wasserdichten Bottich.

„Wollen Sie das Notebook hier lassen?“ fragt Dräger den Leiter des Instituts für Wasserbau an der Technischen Universität Harburg, Erik Pasche, der auch am Tisch sitzt. „Das Notebook bleibt, da passiert nichts“, sagt Pasche. Und dann: „Wasser marsch.“

Zwei Minuten später stehen Dräger und Pasche auf dem Tisch. Das Wasser, das durch den Türspalt rinnt, ist schmutzig und eiskalt. Und es steigt – als ob es direkt aus der Elbe ins Wohnzimmer schwappen würde, wie es das zu tun pflegt, wenn ein Deich gebrochen ist.

Mit fortschreitendem Klimawandel könnte das Szenario bald Routine werden. Und hier setzt die Arbeit des Klimafolgen-Zentrums an. Seit Mitte Februar wird dort geforscht. Wann sich die mitteleuropäische Durchschnittstemperatur wie stark erhöht, darauf kommt es hier nur indirekt an. Wichtiger ist die Frage: Was tun, wenn die Elbe in den Keller schwappt? Und: Was tun, um das zu vermeiden?

Das Klimafolgen-Zentrum haben die TUHH und das Bauunternehmen HC Hagemann als Public-Private-Partnership auf den Weg gebracht. HC Hagemann ist Spezialist für Wasser- und Stahlbau und hat etwa die Schiffslandungsbrücken am Jungfernstieg und die Hafenanlagen auf Helgoland konstruiert, die TUHH bildet Ingenieure, Schiffsbauer und Umwelttechniker aus.

In dem Projekt sollen knapp 40 weitere Experten binnen drei Jahren einen Job finden, insgesamt fließen drei Millionen Euro. „Nahtstelle zwischen Theorie und Forschung“ nennen die Gründer ihre Technologieschmiede, ihr Zweck sei der „Transfer innovativer Techniken und Methoden, um Hochwasser und Küstenschutz zu beschleunigen“. Was es mit Letzterem auf sich hat, führt Pasche auf dem Parkplatz vor. Hier steht ein Bagger, der sich auf Ketten, aber auch mit vier Hydraulik-Armen fortbewegen kann – und damit im Wasser, falls ein Deich bricht.

Damit es soweit nicht kommt, haben Pasche und Kollegen einen Klebstoff entwickelt, der Steine auf der Deich-Oberkante fixiert – was den womöglich darüber strömenden Wellen die Wucht nimmt. Und für den Fall der Fälle wurden mobile Notfallsysteme entwickelt: Wände aus Aluminium in Dreiecksform, die sich schnell zu einem provisorischen Schutzwall zusammenbauen lassen. FLORIAN ZINNECKER