Kurt, Genosse!

Einmal im Monat stellt sich Johannes Kahrs, SPD-Vorsitzender in Hamburg-Mitte, den Fragen der Genossen. Bei Bier und belegten Brötchen ging es diesmal um die verlorene Landtagswahl, den Umgang mit der Linkspartei und Kurt Beck

Seit der verlorenen Landtagswahl sind die Hamburger Genossen nicht gut auf ihren Chef in Berlin zu sprechen. Die Debatte um eine Zusammenarbeit mit den Linken in Hessen habe den Wahlkampf in Hamburg verdorben und die Glaubwürdigkeit der Partei schwer beschädigt. Der SPD-Vorsitzende in Hamburg-Mitte, Johannes Kahrs, versuchte gestern bei seinem monatlichen Frühschoppen, die Genossen wieder auf Kurs zu bringen.

Die Treffen mit der Parteibasis laufen immer gleich ab: „Der Hannes“, wie sie Johannes Kahrs hier nennen, kommt um kurz vor elf Uhr in die „Ständige Vertretung“, eine gutbürgerliche Kneipe an der Stadthausbrücke. Es gibt belegte Brötchen, dazu Bier, Kaffee und einen Johannes-Kahrs-Kugelschreiber. Kahrs, im schwarzem Anzug, aber ohne Krawatte, begrüßt jeden per Handschlag und einem energischen „Moin!“, einige umarmt er.

Nach der Begrüßungsrunde monologisiert Kahrs, der zugleich Sprecher des Seeheimer Kreises, des rechten Flügels der SPD, ist, eine Weile, beantwortet dann Fragen und um 13 Uhr ist Schluss, „egal wie spannend es gerade ist“, erklärt er die Spielregeln. Diesmal redet er über ein „gefühltes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen uns und der CDU“, bis die Debatte um die Kooperation oder gar Koalition mit der Linkspartei begonnen habe und darüber, dass der Naumann einen guten, einen sehr guten Wahlkampf gemacht habe. Die Genossen klopfen auf die Holztische: „Ja!“ und „Da hat er wirklich recht“ und „Hat er wirklich gut gemacht, der Naumann.“

Nach Kahrs’ Rede meldet sich ein grauhaariger Umweltingenieur im roten Strickpullover. Er gehöre, im Gegensatz zu Kahrs, dem linken Flügel der Sozialdemokraten an und war auf drei Veranstaltungen der Linkspartei. „Die haben wirklich gute Leute und gute Konzepte. Es macht keinen Sinn, wenn ihr die immer nur als Nichtskönner und Stümper bezeichnet, damit löst ihr das Problem nicht.“ Zustimmendes Gemurmel. In den achtziger Jahren habe die SPD die Grünen genau so abgetan, wie heute Die Linken und heute sei klar, dass ohne die Grünen vieles nicht erreicht worden wäre.

Kahrs steht kerzengerade am Kopf des längsten Tisches, wippt vor und zurück und umfasst eine Stuhllehne. Er halte am Beschluss des Parteivorsitzenden fest, dass es keine Bündnisse mit der Linkspartei auf Bundesebene geben werde. Die Länder müssten selber entscheiden, ob sie mit gescheiterten Sozialdemokraten und Kommunisten koalieren wollten. „Aber Politik ist Veränderung, vielleicht entwickeln sich die Roten genauso weiter wie die Grünen es getan haben“, sagt Kahrs.

Ab und an fuchtelt er mit den Händen und verschafft sich Aufmerksamkeit, wenn die Runde zu tuscheln beginnt: „Überwiegend rede ich!“ „Der Herr Beck macht unsere ganze Glaubwürdigkeit kaputt. Was sagst Du denn zu Beck?“, ruft ein Mittvierziger mit Haarkranz. Eigentlich kommt auf dem Politik-Frühschoppen nur zu Wort, wer sich brav meldet, aber hier macht Kahrs eine Ausnahme und greift sofort ein: „Kurt, Genosse!“, korrigiert er. Jeder mache Fehler, Kurt sei ein guter Vorsitzender, er würde ihn jederzeit wieder wählen und es sei richtig, dass er die Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund ausgeschlossen habe.

Als er fertig ist, schnellen sechs Arme in die Luft. „Nach meinem Gefühl haben wir 13 Uhr schon überschritten“, sagt Kahrs, schaut auf sein Handy und richtig, es ist kurz nach eins. „Empfehlt mich weiter, wenn es euch gefallen hat und behaltet es für euch, wenn nicht.“ Höfliches Lachen, Händeschütteln und nach fünf Minuten sind alle verschwunden. ILKA KREUTZTRÄGER