„Wir sind keine Ruhmeshalle“

Die Schau „Sprünge“ im Wagenfeld-Haus zeigt Innovatives – und viel Apple. Die Veranstaltungen werden aber „nicht den Charakter von Butterfahrten haben“, verspricht Heinz-Jürgen Gerdes

HEINZ-JÜRGEN GERDES, Jahrgang 1962, ist Geschäftsführer der Bremer Design GmbH und Leiter des Design Zentrums im Wilhelm-Wagenfeld-Haus.

INTERVIEW von ISABELL BÜRGER

taz: Herr Gerdes, was wollen Sie mit Ihrer Ausstellung zeigen?

Heinz-Jürgen Gerdes: In unserer Allianz mit der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung wollen wir klar machen, dass es eine neue Innovationskultur braucht. Daher stellen wir vielversprechende neue Projekte aus.

Eine neue Innovationskultur?

Wirtschaftspolitisch wird immer mehr auf kreative Köpfe gesetzt. Tatsächlich ist es aber so, dass es viele neue Ideen gibt, die nicht realisiert werden können. Ein Unternehmen zu finden, dass das Risiko eingeht, etwas völlig Neues – und damit einen „Sprung“ – zu machen, ist für den Ideengeber ein Glücksgriff.

Einen Sprung?

Viele Unternehmen setzen eher auf die Sicherheit des nächsten logischen Schritts bei ihrer Produktentwicklung. Entwicklungs-Sprünge jedoch beinhalten die Entwicklung einer Innovation aus unkonventionellen Kontexten heraus. Deswegen heißt unsere Ausstellung auch „Sprünge“.

Die Aufgabe des Designzentrums ist es, Bremer Unternehmen in Sachen Design zu unterstützen. Setzt die Schau dafür nicht zu sehr auf auswärtige Global-Player?

Wir stellen durchaus einige einheimische Ideen vor. Zum Beispiel das BelugaSkySails-Projekt oder die Diplomarbeit über eine neue urbane Kommunikationsplattform, die an der Hochschule Bremen entstanden ist. Allerdings kann sich Bremen nicht vor Einflüssen von außen verschließen. Wir sind ja kein kleines gallisches Dorf.

Das passt zu Ihrem Engagement als Wirtschaftsförderer. Aber was hat das mit den Ideen des Bauhausschülers Wilhelm Wagenfeld zu tun?

Die Ausstellung schlägt auch den Bogen zu den Arbeiten von Wagenfeld. Ihm lag es immer am Herzen, Industriekultur und damit Produktdesign am Alltag und den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. Diese soziale Relevanz ist Vorbild für die Ideen der Gegenwart. Die Frage hinter einer erfolgreichen Innovation muss also lauten: „Was braucht der Mensch heute?“

Und? Welche Ideen hätten denn eine solche Relevanz?

Die Bionade und der iPod von Apple zum Beispiel.

Es sind auch viele Apple-Bildschirme in der Ausstellung zu sehen. Sie gehören nicht auf den ersten Blick dazu, sind aber allgegenwärtig. Sind sie doch Exponate?

Sicher. Sie dienen dazu, digitale Exponate zu präsentieren, sind aber selbst auch Beispiele für eine Innovationskultur, die am Menschen ausgerichtet ist.

Warum?

Sind Sie PC-Nutzer?

Ja.

PCs sind Maschinen, nach denen sich der Mensch richten muss. Apple-Technik wird menschlich durch Innovation und Design. Dann funktioniert die Maschine so wie Sie sind.

Aber es gibt doch auch an der Apple-Technik immer wieder Kritik. Gerade das iPhone…

Die Ausstellung „Sprünge – Evolution des Neuen in der Alltagskultur“ im Wagenfeld-Haus will auf das Potenzial kreativer Produktentwicklung hinweisen. Beispiele sind neben dem Elektroroller Segway X2 (siehe Bild), der „100-Dollar-Laptop“, der an Kinder in Entwicklungsländern verteilt werden soll und der so genannte Sinterchair, ein Kunststoffstuhl, der mittels eines neuen Verfahrens nach individuellen Wünschen gestaltet werden kann. Das Design Zentrum erhält vom Wirtschaftressort Mittel, um Bremer Design-Projekte zu fördern. Die Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung soll Zusammenhänge der Designgeschichte erforschen und Probleme der Planung von Industrieprodukten erörtern. Der Bauhausschüler Wagenfeld wurde vor allem durch sein Design für Alltagsgegenstände bekannt. ibg

Wagenfeld-Haus, bis 10. August

…das ist ein berechtigter Einwand. Es gibt an einigen Projekten Dinge zu sehen, die zu kritisieren sind. Unsere Ausstellung soll auch Anlass für solche Diskussionen bieten. Das Wilhelm-Wagenfeld-Haus soll ja keine Ruhmeshalle sein.

Gut, dass Sie das sagen! Die Führung für Journalisten wenigstens war ausgesprochen unkritisch. Es gab sogar Werbematerial für iPod und Co. Wo finden denn diese Diskussionen statt?

Die Ausstellung ist lediglich Kulisse und nicht selbsterklärend. Ich sehe auch nicht den klassischen Sonntags-Schlenderer in unserer Ausstellung. Wir sind kein Teil der Kulturmeile wie das Theater. Bei uns treffen Kunst und Wirtschaft direkt aufeinander. Wir wollen Arbeitnehmer, Unternehmen und Schüler ansprechen. Daher gibt es zur Ausstellung ein breites Veranstaltungsprogramm.

Ist auch eine Diskussion zum iPhone geplant?

Es wird eine Veranstaltung zum iPhone geben, bei der mit dem Marketing-Fachmann Reinhard Binder und jemandem von der Firma Gravis gesprochen werden kann.

Ach, mit Gravis, von denen auch das Werbematerial ist?

Wenn Unternehmen uns Technik zur Verfügung stellen, wollen sie auch dankend erwähnt werden. Das ist selbstverständlich. Sie haben offensichtlich die Vermutung, das alles sei Werbung. Die Veranstaltungen werden aber sicher nicht den Charakter einer Butterfahrt haben. Es haben sich sogar schon Unternehmen, die Exponate zur Verfügung gestellt haben, darüber beschwert, dass zu kontrovers diskutiert wurde. Wir wollen einen lebendigen Diskurs.