Hohe Haftstrafen für Mord an Journalisten

Ukrainisches Gericht verurteilt drei Ex-Milizionäre zu dreizehn bzw. zwölf Jahren Haft. Sie bekennen sich schuldig, den regimekritischen Journalisten Georgi Gongadse getötet zu haben. Frage nach den Auftraggebern bleibt unbeantwortet

LWIW taz ■ Drei ehemalige Milizionäre sind in der ukrainischen Hauptstadt Kiew des Mordes an dem Journalisten Georgi Gongadse schuldig gesprochen und zu Haftstrafen von dreizehn bzw. zwölf Jahren verurteilt worden. Die Urteilsverkündung im Kiewer Berufungsgericht am Samstag dauerte fünf Stunden. Die Angeklagten Walerij Protasow, Olexander Kostenko und Walerij Popowytsch, die sich während des Prozesses teilweise zu ihrer Schuld bekannt hatten, nahmen das Urteil teilnahmslos hin.

Als Georgi Gongadse am Abend des 15. September 2000 einen Wagen anhielt, um nach der Arbeit nach Hause zu fahren, wusste er nicht, dass er in eine tödliche Falle getappt war. Im Auto saßen drei Milizionäre im Zivil, die den regimekritischen Journalisten und Chefredakteur der Internetzeitung Ukrainska Prawda bereits seit langem beobachteten. Mehrere Wochen galt Gongadse als vermisst. Zwei Monate später wurde seine enthauptete Leiche in einem Waldstück bei Kiew gefunden.

Zu einem politischen Skandal wurde der Fall aber erst, als der Vorsitzende der oppositionellen Sozialistischen Partei, Olexander Moros, am 28. November 2000 von einem Sicherheitsbeamten heimlich aufgenommene Tonbänder im Parlament abspielte. Auf den Mitschnitten war zu hören, wie sich der damalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma mit seinen engsten Vertrauten, darunter dem Chef der Präsidialverwaltung und dem Innenminister, über den Fall Gongadse unterhielt. Er bezeichnete den Journalisten als „Abschaum“ und erteilte den „Rat“, ihn nach Tschetschenien abzuschieben. Aus den mitgeschnittenen Gesprächen konnte man zudem auf kriminelle Methoden der Obrigkeit schließen – sei es zur Unterdrückung der Medien, zur Verfolgung der politischen Opposition oder zur Selbstbedienung auf Staatskosten.

Empört gingen zehntausende Demonstranten auf die Straße und forderten den Rücktritt von Präsident Kutschma und die Aufklärung des Mordes. Auch international sorgte der Fall für Schlagzeilen. Der Europarat, die Europäische Union und die Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ verlangten eine schnelle und lückenlose Aufklärung. Doch in Kiew verliefen die Ermittlungen im Sande. Eine der offiziellen Versionen war, dass Gongadse Kriminellen oder Drogensüchtigen zum Opfer gefallen war.

Erst nach der „Orange Revolution“ im Jahre 2004 wurde der Fall neu aufgerollt. Die mutmaßlichen Täter wurden im März 2005 gefasst, im Januar 2006 begann der Prozess. Die Täter gaben an, auf Anweisung des für die Entführung zuständigen Polizeigenerals Olexij Pukatsch gehandelt zu haben. Angeblich hätten sie nicht die Absicht gehabt, Gongadse zu töten, sondern hätten ihn nur einschüchtern wollen. Auch wollen sie nicht gewusst haben, dass es sich bei dem Entführten um einen regimekritischen Journalisten handelte. Diese Argumente wies das Gericht jedoch zurück.

Trotz des Urteilsspruches sind viele Fragen unbeantwortet geblieben. Die Auftraggeber sind weiter unbekannt und wichtige Zeugen verschwunden. General Pukatsch ist im Ausland untergetaucht, Fahndungen sind bislang erfolglos geblieben. Der damalige Innenminister, eine der Schlüsselfiguren in diesem Fall, wurde Anfang März 2005 tot in seinem Haus aufgefunden.

Beobachter meinen, dass die ukrainischen Politiker an der lückenlosen Aufklärung nicht interessiert sind. Der Fall könnte brisante Tatsachen ans Licht bringen, die viele von ihnen betreffen. Bei so vielen Leichen im Keller ist es kaum zu erwarten, dass die Hintermänner vor Gericht kommen, wie das die Öffentlichkeit und die Angehörigen des Opfers fordern. JURI DURKOT