Staufen sackt nach Bohrungen ab

War ein toller Plan: Die Schweizer Kleinstadt wollte zum Wärmepumpen-Heizungs-pionier werden. Jetzt sackt der Untergrund ab, und die Hauswände reißen meterlang

FREIBRURG taz ■ In der Stadt Staufen südlich von Freiburg wird in diesen Wochen wertvolle Bausubstanz beschädigt: Pro Woche senken sich Teile der historischen Altstadt um einen Millimeter – mit der Folge, dass in Gebäudewänden zum Teil fingerdicke, meterlange Risse auftreten. 53 Häuser sind nach letzten Zahlen inzwischen betroffen.

Die Ursache ist offiziell noch nicht bestimmt, liegt jedoch auf der Hand: Die Senkungen und mitunter auch Hebungen in der Altstadt begannen, nachdem im Herbst unter dem Rathaus Löcher von 140 Meter Tiefe für Erdsonden gebohrt wurden, um das Gebäude künftig mittels Wärmepumpe zu beheizen. Die Bohrungen seien „die bislang einzige plausible Erklärung“ für die Erdbewegungen, sagt der Geotechniker Robert Breder. Erdwärmepumpen arbeiten nach dem Prinzip des Kühlschranks: So, wie ein Kühlschrank im Innern kühlt und dabei seine Rückwand erwärmt, so kühlen Wärmepumpen das Erdreich ab und temperieren zugleich die Raumluft. Aufgrund ihres hohen Stromverbrauchs ist die Technik jedoch ökologisch umstritten.

Bürgermeister Michael Benitz spricht nach den Mauerrissen zwar noch von „lediglich kosmetischen Schäden“, die auf die Statik der Häuser keinen Einfluss hätten, doch die Menschen in der Stadt sind inzwischen hochgradig beunruhigt: „Man kann doch aus Deutschland keinen Schweizer Käse machen“, sagt eine betroffene Gastronomin.

Die Schäden an den Gebäuden gehen bereits in die Hunderttausende; auch das Rathaus selbst, zwei Schulen und die Stadtkirche sind betroffen. Die Stadt Staufen hat daher jetzt beim Landgericht Freiburg ein Beweissicherungsverfahren beantragt. Ein Geotechniker der Stuttgarter Materialprüfungsanstalt wird als gerichtlich bestellter Sachverständiger den Fall untersuchen. Man messe derzeit Temperaturprofile in den Bohrlöchern, ermittle die Vertikalbewegungen an 30 Messpunkten in der Innenstadt und erstelle weitere geologische Expertisen, heißt es beim Geologischen Landesamt in Freiburg. Frühestens in zwei Monaten, sagt dessen Hydrogeologe Gunther Wirsing, werden erste Erkenntnisse über die Schuldfrage vorliegen.

So dürfte die Erdsondenheizung des Rathauses in Staufen am Ende ziemlich teuer werden – fraglich ist bislang nur, für wen. Mindestens 30.000 Euro werden die Gutachten kosten, danach stellt sich die Frage nach dem Schadensersatz. Zu klären wird sein, welche Haftung die Stadt als Bauherrin übernehmen muss. Auch muss untersucht werden, ob womöglich die Bohrfirma nicht sauber gearbeitet und damit die Bodenbewegungen ausgelöst hat.

Sicher ist: In rund 30 Meter Tiefe wurde im Herbst ein Grundwasserleiter angebohrt, der unter Druck stand – ein sogenannter gespannter Aquifer. Dessen stabilisierender Druck konnte so entweichen, womit zumindest plausibel zu erklären ist, warum Staufens Untergrund seither in Bewegung geraten ist.

Wie heikel Erdbohrungen in dicht besiedeltem Gebiet sein können, weiß man spätestens seit letztem Jahr: Im Januar 2007 musste in Basel, 40 Kilometer von Staufen entfernt, ein Geothermieprojekt auf Eis gelegt werden, nachdem dieses mehrere Erdbeben bis Stärke 3,4 ausgelöst hatte. BERNWARD JANZING