Pragmatiker unter dem Sternenhimmel

Die Rockband Madsen hat eine neue Platte gemacht, die ganz auf Wut und Verweigerung setzt. Das geht überraschend reibungslos zusammen mit einer intensiv arbeitenden Promotion-Maschine – Pro 7 und T-Mobile inbegriffen

Es ist schon ein Spagat, den die Musiker der Band Madsen da hinbekommen sollen. Vergangene Woche zum Beispiel: Madsen in der Hamburger Color Line Arena, bei der Veranstaltung Live Entertainment Award, bei der sich die Konzertveranstalter-Branche selbst feiert. Madsen sind die einzige Band an diesem Abend, die einen Preis bekommt, und zwar als „Clubkünstler des Jahres“. Schlagzeuger Sascha Madsen tritt ans Pult, trägt das T-Shirt zur neuen Platte mit dem Aufdruck „Ich weigere mich“, bedankt sich artig und spielt dann mit der Band das rotzige Gitarrenrock-Stück „Verschwende dich nicht“. Den Preis hat die Band bekommen, weil bei einer Internet-Abstimmung einer Website für Entertainment-News 18,4 Prozent der Besucher für Madsen gestimmt hatten. Und alles passt gut zur Veröffentlichung der neuen Platte „Frieden im Krieg“.

Zwar ist das Nebeneinander von Promotion-Maschine und Verweigerungs-Gestus nichts Neues im Rock-Geschäft, das Erstaunliche aber ist: Bei Madsen sind sowohl Promotion auch von Verweigerungshaltung sehr üppig vorhanden und das Nebeneinander funktioniert ganz lautlos. Madsen nämlich ist als Band jung genug, um die Widersprüche von früher mit pragmatischer Distanz zu betrachten. Und Madsen hat Fans, die das erstens verstehen und zweitens ganz zufrieden sind, dass die Band immer noch wirkt, als käme sie direkt aus einer Studenten-WG, und zwar einer, in der auch ab und zu coole Informatik-Studenten vorbei schauen.

Madsen spielen gitarrenlastigen, energievollen Rock, der seinen Reiz vor allem aus den deutschen Texten bezieht. Die nämlich drehen sich um Alltagsfragen, die mal etwas tiefer gehen, mal seicht bleiben, aber von Madsen immer auf Augenhöhe mit ihrem Publikum verhandelt werden. „Oh nein, schon wieder Samstag / ich hasse diese Ausgehpflicht“ heißt es beispielsweise im Song „Nachbaden“. Oder, lebenserfahren in „Ja oder Nein“: „Unentschlossenheit verschwendet unsere Zeit / Handle im Affekt, tu das richtige spontan.“

Die neue, mittlerweile dritte CD „Frieden im Krieg“ ist härter als der Vorgänger „Goodbye Logik“, Sänger Sebastian Madsen schreit wieder mehr. Und wonach er schreit, sind Dinge wie Baden in der Nacht, Menschen, die sich nicht verdrehen lassen, das Versinken im Augenblick, den Wunsch nach einem Wiedersehen – es geht um ein Bedürfnis nach einem unmittelbaren, persönlichen und möglichst intensiven Erleben. Wozu auch der Widerstand gehört. Und die Wut.

Auf der anderen Seite führte die Promotion-Offensive Madsen im Februar zu Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“, bei dem sich die Band als niedersächsischer Vertreter vor einem Millionenpublikum im Abendprogramm von Pro 7 den vierten Platz erspielen durfte – wie bei den anderen Teilnehmern auch folgte die Single-Veröffentlichung in den Tagen nach der Show. Am 31. März gibt es dann einen „T-Mobile-Street-Gig“, bei dem Madsen im ehemaligen Charter-Terminal des Hamburger Flughafens spielen. Die Tickets dafür gibt es nicht zu kaufen, sie werden auf einer T-Mobile-Seite im Internet verlost. Die Eintrittskarte kommt als Mobile Ticket direkt auf das Handydisplay.

Im Gegenschnitt sieht man vor dem geistigen Auge Keyboarder Folkert Jahnke vor sich, wie er in gefütterter Jeansjacke und mit Erde an den Schuhen über die Heimat der Band sagt: „Allein der Sternenhimmel ist der Wahnsinn.“ Madsen nämlich kommt aus dem Wendland und ist eine Band, die um die drei Brüder Johannes, Sebastian und Sascha Madsen entstanden ist. Über das Wendland und seine politischen Implikationen sagt Jahnke, dass das die Band natürlich geprägt hat, aber nur im Sinne von Jugenderinnerungen an Castor-Demos. Politisch motiviert sei Madsen nie gewesen. Was auch nicht sein muss – der Spagat von Madsen ist auch ohne Politik groß genug. Klaus Irler

Madsen: „Frieden im Krieg“ (Universal) Konzert mit käuflichen Karten: 14. April Übel und Gefährlich, Hamburg;