Explosive Mischung

Sprengstoff-Prozess vor dem Amtsgericht: Ein ehemaliger Chemielabor-Azubi kommt mit Bewährungsstrafe davon

Er wollte ja niemanden verletzen, sagt Ingo I. Nur eben ein Päckchen Acetonperoxid wollte er hochgehen lassen, einfach mal so. Irgendwo draußen, auf freier Fläche. Dass allein der Transport dieses hoch empfindlichen Sprengstoffes lebensgefährlich ist, wusste er. Schließlich machte der heute 26-Jährige damals, vor zwei Jahren, gerade eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen-Assistenten.

„Es war eine blöde Idee“, sagt I. heute. Genau genommen war es sogar mehr als das: Sein Freilandversuch stellte auch einen Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz dar. Und dafür musste sich I. am vergangenen Donnerstag vor dem Bremer Amtsgericht verantworten.

„Ich habe mir extra Zeit gelassen“, sagte der Angeklagte immer wieder, als ihn der Richter auf die Gefahren anspricht, die bei der Herstellung und dem Transport von Acetonperoxid auftreten können. Das er etwas langsamer zu Werke ging, könnte aber auch eine andere Ursache gehabt haben, als reine Vorsicht: I. hat während seines Explosions-Experiments die ganze Zeit Alkohol getrunken. „Dann hätte ich nichts gemerkt, wenn doch etwas passiert wäre“, meinte er vor Gericht hierzu.

„Ein bis zwei Tage“ will I. an der Herstellung des Sprengstoffs gearbeitet haben. Am Abend der geplanten Explosion trug er ihn in einem mit Wasser gefüllten Gurkenglas bei sich, um Erschütterungen zu dämpfen. Gegen zwei Uhr nachts traf der angehende Laborant mit einer Gruppe Jugendlicher zusammen. „Ich habe sie gefragt, ob sie ihn anzünden wollen.“ Sie wollten, soviel steht fest, nicht. Was dann geschah, bleibt unklar. Die Jugendlichen geben an, I. daraufhin den Sprengstoff abgenommen und die Polizei gerufen zu haben. I. stellt die Geschichte genau anders herum dar: Er sei es gewesen, der die Jugendlichen dazu aufgefordert habe, die Polizei anzurufen. „Da kam dann doch wieder der Verstand durch.“ Der Sprengstoff wurde schließlich von der Polizei sicher gestellt.

Schon zu Schulzeiten war I. durch seine Affinität zu Sprengstoff aufgefallen. Bei einer Klassenfahrt hatte er zwei kleinere Explosionen herbei geführt. Ein Gutachter attestierte ihm vor Gericht eine „schizoide Persönlichkeit“ – und ein Alkoholproblem. I. neige zu „Macht- und Größenphantasien“, mit denen er fehlende soziale Anerkennung kompensiere, so der Experte.

Inzwischen macht der junge Mann eine ambulante Therapie. „Ich habe seit zwei Jahren nichts mehr mit Chemikalien zu tun“, sagt er bei der Verhandlung.

Das Gericht glaubte ihm, seine sechsmonatige Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage muss er 600 Euro zahlen – und seine Therapie fortsetzen. Isabell Bürger