Keine Männer am runden Tisch

Eine Offensive deutscher Unternehmen, mit der sie junge Familien fördern wollen, ist nur halb erfolgreich. Viele Väter sind an Angeboten wie Elternteilzeit nicht interessiert, klagen Betriebsräte

Diversity Management ist ein Konzept für Unternehmensführung, dass die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter beachtet und zum Vorteil aller nutzen will. „Diversity“ wird dabei oft mit „Vielfalt“ übersetzt. Maßnahmen gegen Benachteiligung und Diskriminierung wegen Alter, Geschlecht, Religion, Ethnie, Behinderung oder sexueller Orientierung werden bei diesem Konzept zu Unternehmensgrundsätzen erhoben. Nicht mehr der einheitliche Arbeitnehmer ist gefragt, sondern der Arbeitende als Individuum mit besonderen Potenzialen. Die MitarbeiterInnen sollen sich in ihrem Wesen anerkannt fühlen und für ihre Arbeit motiviert werden. Auf diese Weise wollen Unternehmen ein positives Arbeitsklima herstellen. Der Ursprung dieser aus den 1990er Jahren stammenden Unternehmensstrategie liegt in den USA. Deutsche Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, und Tochter-Unternehmen amerikanischer Firmen übernahmen die Grundsätze nach und nach. Heute gilt „Diversity Management“ als Merkmal für die Qualität der Unternehmensführung und wird oft in öffentlichen Ausschreibungen gefordert. Auch die Unternehmens-Initiative „Charta der Vielfalt“ fußt auf diesen Grundsätzen. ib

Von ISABELL BÜRGER

Väter mögen ihre kleinen Kinder lieber von weitem. Etwa die Entfernung Büro-Zuhause scheint vielen offenbar ideal. Die so genannte Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, das tut nämlich kaum einer von ihnen. Das gilt auch für die männlichen Angestellten des Kraft-Food Konzerns, die sich nur selten von ihrer Arbeit beurlauben zu lassen, um sich um ihren frisch geborenen Nachwuchs zu kümmern. Seit einem Jahr läuft nun eine Offensive des Lebensmittelriesen, um die Männer an die Wickeltische zu bringen. Der Erfolg: dürftig.

Im Frühjahr 2007 unterzeichnete Kraft die so genannte „Charta der Vielfalt“. Das Programm der unter Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel stehenden Unternehmens-Initiative, sieht unter anderem vor, Elternzeiten und flexible Arbeitszeiten für Angestellt mit jungen Familien zu fördern. Doch die bisherige Bilanz zeigt: Hauptsächlich Arbeitnehmerinnen springen auf die Angebote an, kaum ein Mann nimmt die Möglichkeiten wahr.

„Leider sitzen an unseren runden Tischen zur Elternzeit hauptsächlich Frauen“, sagt sagt Hinrich Ehlers, Betriebsratsvorsitzender am Kraft-Standort Bremen. „Das liegt einfach an der mangelnden Akzeptanz unserer Gesellschaft gegenüber Hausmännern“, glaubt der Arbeitnehmervertreter.

Mit der „Charta der Vielfalt“ sollen sich deutsche Unternehmen aus eigenem Antrieb verpflichten, „gesellschaftliche Heterogenität auch in ihrem Unternehmen zu würdigen“. Die Belegschaft der 284 unterzeichnenden Unternehmen soll, so das Ideal, „die Vielfalt der Bevölkerung“ widerspiegeln. JedeR MitarbeiterIn, egal welchen Familienstands, welchen Alters oder welcher Herkunft solle „wertgeschätzt“, Vorurteile und Hindernisse, beispielsweise für beschäftigte Eltern, sollen aus dem Weg geräumt werden.

Bei Kraft ist dies Chefsache und heißt „Diversity Management“. Im selben sprachlichen Duktus bleiben die Namen der zugehörigen Angebote der Personalabteilung: „Kraft-Kids“, „Round Tables“, „Health & Wellness-Woche“. Das alles wird von den Verantwortlichen unter dem Schlüsselbegriff „work-life-balance“, also der „Ausgeglichenheit von Arbeits- und Lebenszeit“ zusammengefasst. Neu sei all dies nicht. „Die Angebote an sich gibt es bei Kraft schon länger“, sagt der Betriebsrat Ehlers. Kindertagesstätte, flexible Arbeitszeiten – die „Charta der Vielfalt“ habe lediglich aufgegriffen, was von Betriebsräten bereits vor 10 Jahren mit angestoßen worden sei.

„Neu sind nur die Namen“, so Ehlers. Geblieben ist jedoch, wie er bedauernd feststellt, die „problematische“ Resonanz auf die Angebote.

Reproduziert Kraft nicht Tendenzen, die das Unternehmen eigentlich aufbrechen will, wenn es lediglich versucht, „die Gesellschaft abzubilden“? In der für das „Vielfalt“-Programm zuständigen Abteilung, dem „Diversity-Council“ von Kraft verweist man auf die Autonomie der Beschäftigten. „Natürlich sprechen wir bei den Ausschreibungen und in unserer Mitarbeiterzeitung Männer und Frauen an“, sagt Nicola Oppermann vom „Diversity-Council“. Sie und einige ihrer Kolleginnen entwürfen zwar die Angebote für die Beschäftigten, könnten aber nicht beeinflussen, wie diese sich hierzu verhalten. „Wir können die Männer ja nicht zwingen“, meint Oppermann.

Dass es schon im „Diversity-Council“ an männlicher Beteiligung fehlt, dürfte das Problem verschärfen. In dem Gremium sind keine Männer vertreten. „Die interessieren sich oft nicht für die Bereiche, die mit Gleichstellung zu tun haben“, sagt Oppermann.

Die einzige Ausnahme ist der Betriebsrat Ehlers. Er will mehr Männer ansprechen: „Nur so können wir Bewegung in die Sache bringen.“ Der „Prozess Vielfalt“ sei eben noch nicht abgeschlossen.

Als nächstes will Ehlers die Verbesserung der Möglichkeiten zur Teilzeit-Arbeit im Außendienst in Angriff nehmen. Außerdem will er die Kindertagesstätte auch für Kinder von Beschäftigtem mit niedersächsischem Wohnsitz zugänglich machen. Deren Kinder hatten dort bisher keinen Zutritt, weil das Land Niedersachsen den Träger nicht subventioniert.

Insgesamt stehen nur 16 bis 20 Plätze für Kinder von Kraft-Mitarbeitern in der Krippe der Zionsgemeinde zur Verfügung, dabei hat das Unternehmen knapp 900 MitarbeiterInnen in Bremen. Hinzu kommt, dass den Kraft-Eltern in der Kita ein erhöhter Beitrag berechnet wird.

Oppermann, deren Tochter auch in die Kraft-Kita geht, findet das nicht schlimm. Zahlen müsse man für für die Kita immer. Sie steht hinter den Zielen des Unternehmens. „Alle Mitarbeiter sollen zufrieden sein“, sagt Oppermann. Was das dem Unternehmen bringt? „Wir können erfolgreich am Markt arbeiten.“