DER RECHTE RAND
: Kult ums eigene Leid

Bomberjacken und Springerstiefel sind unerwünscht: Mit solch „alliierten Kleidungsstücken“ sollen die rechten Kameraden nicht auflaufen an diesem Samstag in Lübeck. Da wollen NPD und so genannte Freie Kameradschaften an die Bombardierung der Hansestadt durch die britische Luftwaffe im Jahr 1942 erinnern. Unter dem Motto „Bomben für den Frieden?“ beklagen sie erneut die „deutschen Opfer“ – und niemand sonst.

Rund 50 Neonazis kamen auch bereits am 8. März zu einer Mahnwache in der Lübecker Innenstadt zusammen. „Eine Nation ist soviel Wert“, behaupteten sie, „wie sie ihre Toten ehrt.“ Rund 300 Gegendemonstranten mochten das nicht so sehen. Für den kommenden Samstag mobilisiert erneut ein breites Bündnis aus Kirchen und Gewerkschaften, mehreren Parteien, aber auch linken und autonomen Gruppen gegen den rechten Spuk.

Propst Ralf Meister erklärte bei der Gegenkundgebung 2007 den einenden Gedanken: „Gegen Nazis aufzustehen ist nicht deshalb falsch, weil man es mit anderen macht, mit deren Ansichten man sonst nicht viel gemein hat“. Rund 5.000 Demonstranten waren damals auf der Straße. CDU und FDP übrigens sind nicht Teil des Bündnisses, das nun wieder dazu aufruft, sich nach der Kundgebung „den Nazis in den Weg zu stellen“.

Um Resonanz in der „Mitte der Gesellschaft“ geht es auch NPD und FK – nicht auf der Straße, aber in den Köpfen. Wie der Sozialpsychologe Harald Welzer feststellte, wird in deutschen Familien ein anderes Bild von der NS-Vergangenheit vermittelt als in der Schule und bei Gedenkveranstaltungen: Im Familiengedächtnis wird demnach das eigene Leid nicht bloß als „Wissen“, sondern als „Gewissheit“ erinnert. Darauf setzt, nicht nur in Lübeck, die extreme Rechte: dass der vermeintliche „Schuldkomplex“ der Deutschen durch die privaten Erinnerungen langfristig unterlaufen werden könnte.