die taz vor zehn jahren über die europäische haltung zum israelischen siedlungsbau
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Benjamin Netanjahu schäumt. Sogar bei Tony Blair will sich der israelische Ministerpräsident über das „flegelhafte“ Benehmen des britischen Außenministers beschweren. Und das wegen eines dreiminütigen Gespräches mit dem palästinensischen Abgeordneten des Bezirks Bethlehem, Salah Tamari.

Doch es geht weniger um Minuten als um Symbolik. Robin Cook hat mit seinem Besuch auf Har Homa demonstrativ den Kampf um Jerusalem auf die politische Bühne gehoben. Und er hat die palästinensischen Ansprüche nicht von vornherein als illegitim betrachtet oder sie schlicht ignoriert, wie dies die USA tun. Er hat die israelische Siedlungspolitik verurteilt und ein Ende des Siedlungsbaus gefordert. Damit hat er Netanjahu ins Mark getroffen.

Der Baubeginn auf Har Homa vor einem Jahr läutete das Ende des Friedensprozesses ein. Seither hat sich nichts, aber auch gar nichts bewegt. Es gibt keinen völkerrechtlich legitimierten Anspruch Israels auf Ostjerusalem. Und die Genfer Konvention verbietet den Bau von Siedlungen in besetzten Gebieten. Die Erinnerung an diese Tatsache ist ein Verdienst Cooks und der EU. Robin Cook hat sich nicht diplomatisch verhalten, aber konsequent. Dies verdient Respekt. Die USA als einzig existierende Weltmacht fordern zwar ein Time-out, sehen dem forcierten israelischen Siedlungsbau in den besetzten Gebieten aber tatenlos zu.

Europa hat den Friedensprozeß finanziell unterstützt. Die EU ist der wichtigste Handelspartner Israels. Wenn die milliardenschweren Investitionen nicht in den Sand gesetzt sein sollen, ist politische Einmischung, ja Konfrontation notwendig.

Netanjahu muß aus seinen realitätsfernen Träumen geweckt werden, um des Friedens willen. Neutralität kann jedenfalls nicht Parteinahme für Israel heißen, auch wenn Netanjahu das so verstehen möchte.

Georg Baltissen in der taz vom   19. 3. 1998